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10 Psyohiscb« Studien. XVT. Jahrg. 1. Heft. (Janas* 1889.)
es einer späteren .Zeit, da ich damals an Aufschreibungen
nicht dachte: — Im Traume trat ich in das Zimmer eines
freundes und sah dasselbe zu meiner Verwunderung durch
einen schwerer., von der Decke herabwallenden Vorhang
atgetheilt. den ich während des Gespräches betrachtete, so
das3 mein Freund mir meine Neugierde anmerkte und mit
den Worten aufstand, er wolle mir zeigen, was hinter dem
Verhäng sei. Das Zurückschlagen des steifen Vorhangs
machte ein sonderbares Geräusch; in diesem Augenblick
aber erwachte ich von einem wirklichen Geräusch, das von
meinem Bruder ausging, der eben ein starkes Papier zusammenknitterte
. Beide Geräusche vermischten sich qualitativ
und kamen von der gleichen Richtung.
Dass nun solche Träume durch einen äusseren Laut
erregt werden, ist klar und kann keine Täuschung sein;
dass sie auf ein correspondirendes Traumereigniss sich hin«
bewegen, ist ebenfalls klar; auch diess kann also keine
Täuschung sein. Es fällt also die wirkliche Anfangsursache
des Traumes zeitlich zusammen mit dem geträumten Endglied
des Traumes. Diess ist aber ein Widerspruch, in
irgend einem Punkte muss also eine Täuschung vorliegen,
und diese kann nur liegen in der langen Dauer des Traumes.
Diese muss Schein sein.
Somit müssen wir unvermeidlich annehmen: —
1) dass im Augenblick des Erwachens eine längere
Vo.i*stellungsreihe mit einer im Wachen niemals eintretenden
Geschwindigkeit abläuft; —
2) dass es also ein transcendentales Zeitmaass
«siebt von grösserer Geschwindigkeit, als das physiologische
Zeitmaass unseres normalen Vorstellens; —
3) dass erst die nachträgliche Erinnerung an den
Traum diesen verdichteten Vorstellungsverlauf
auseinander zieht, indem alsdann wieder das physiologische
Zeitmaass an Stelle des transcendentalen tritt,
wodurch der Schein einer längeren Dauer des Traumes und
dessen Hineinragen in die Vergangenheit entsteht.
Der Traum liefert also die Thatsache dramatisch zugespitzter
Vorstellungsreihen, die durch ein äusseren
Ereigniss verursacht werden. Gäbe es nur ein physiologisches
ZeitmaasB der Vorstellungen, so
müssten in solchen Träumen eine Anfangsursache zeitlich
zusammenfallen mit der End Wirkung, d. h. es müsste der
Zeitpunkt der Gegenwart zusammenfallen mit einem Zeitpunkt
der Vergangenheit, was a priori unmöglich ist. Also
muss für den Traum ein transcendentales Zeitmaass
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