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Seherr Thosz: Aus dorn Gebiete des Uebersianlichen.
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gestalten sich jedoch die Schlussfolgerungen, die sich aus
dem Faktum der transcendentalen Erscheinungen
ergeben. Die Thatsache ihrer Existenz kann kaum anders
gedeutet werden, als dass sie Seelen längst verstorbener
Menschen sind. Damit wäre also das eventuelle Fortleben
der Seele ziemlich ausser Zweifel gestellt. Und
was für ein Fortleben! Ein Fortleben in grauenhafter
Einsamkeit und Ruhelosigkeit! Wenigstens zeigt keine
einzige der bekannten transcendentalen Erscheinungen ein
freudhaftes, ein hoffnungsreiche« Bild, mit einem Wort: den
Himmel. So bliebe dem Menschen als einziger Trost die
Hoffnung, dass vielleicht nicht alle Seelen fortzuleben
brauchen. — Wir würden es tief bedauern, wenn unsere
metaphysischen Betrachtungen auch nur einen einzigen
Frommen in seinem Glauben beirren könnten» Doch wir
suchen Erkenntniss, Erforschung der Wahrheit, auf
Grundlage von Thatsachen, möge da-4 Ergebniss ein
angenehmes oder unangenehmes sein.
Vorahnungen eines bevorstehenden Unglücks oder
des eigenen Todes sind sehr häufig; es dürfte also überflüssig
sein, Beispiele davon anzuführen. Solche Ahnungen
erwecken erst dann ein allgemeines Interesse, wenn sie die
Dimensionen einer Vision annehmen, insonderheit einer
Vision, die einen Blick in die Zukunft thun lässt, die unserem
inneren Auge künftige Ereignisse zeigt. Im Nachstehenden
folgt die Erzählung eines besonders denkwürdigen Falles
dieser Art, dessen Authenticität, m seiner Wesenheit, ausser
Frage steht. Er ist mir bekannt durch die Mittheilungen
eines intimen Freundes, des erst kürzlich verstorbenen
Obersten v. Kaszonyi, dessen fast penible Wahrheitsliebe
und gutes Gedächtniss bei seinen Bekannten sprichwörtlich
waren. Die den Fall ausmachenden Umstände sind übrigens
schon an sich solche, dass sie keinen Zweifel an der
Wahrheit zulassen.
Oberst v. Kaszonyi erhielt seine militärische Ausbildung
in der Akademie in Wien. Einer seiner ältcron Kameraden
hiess Eduard von Neuval, war der Sohn eines reichen
Wiener Bankiers. Eines Morgens war der junge Mensch
auffallend verstört, trübsinnig. Ueber die Ursache seines
Trübsinns befragt, sagte Neuval, er habe in mehr wachendem
als schlafendem Zustande sich selbst gesehen, wie er in die
Familiengruft in Meidling getreten sei und dort einen Sarg
betrachtet habe, der die Inschrift trug: - „Eduard v. Neuval,
Rittmeister im Husaren-Regiment Nr. a, geboren 1808, gestorben
am 9. September 1845/' — Wie immer in solchen
Fällen, wurde der junge Neuval ausgelacht, seine Vision
Psyohiicbe Studien. Januar 1889. %
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