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53 Psychische Studien. XVI Jahrg. 2. Heft. (Februar 1889.)
als Inspiratoren anzunehmen, entweder zum methaphysi-
schen Individualismus, oder zum Pantheismus
uns zu bekennen.
Pantheisten, wie v. ff artmann, sind genöthigt, für
jede zutreffende Ahnung eines alten Weibes gleich die
Weltsubstanz zu bemühen. Damit versündigt man sich
aber gegen den Grundsatz der Geistesökonomie, gegen das
Princip des kleinsten Kraftmaasses in der
Hypothesenbildung, welche jede hyperbolische Erklärung
verbietet, die mit Kanonen auf Mücken schiesst,
und welches nur erlaubt, in die hypothetische Ursache so
viel hineinzulegen, als die zur erklärende Wirkung unbedingt
erfordert. Das transcendentale Subjekt genügt nun
vollständig zur Erklärung des Fernsehens, also dürfen wir
nicht die Weltcubstanz herbeiziehen. Wir werden uns mit
der bescheideneren Erklärungsursache um so mehr begnügen
müssen, als die lieweise für ein transcendentales Subjekt
von allen Seiten auf uns eindringen und dieses Subjekt eine
ziemlich genaue Definition zulässt, während das pa n-
theistische Unbewusste jener Nacht gleicht, in der
alle Kühe schwarz sind.
v. Hartmann dekretirt nun zwar im Einklang mit den
Materialisten, dass ein leib frei es Erkeunen allen
unseren heutigen Ansichten widerspreche.*) Aber mit diesem
Einwand, von dem auch sein pantheistisches Unbewusstes
mitbetroffen wird, schneidet er nur den Ast ab, auf dem er
selber sitzt. Der Eiuwand beruht aber zudem auf einem
Missverständniss. Wir, als irdische Wesen, können
allerdings nicht leibfrei erkennen; ein Ferngesicht kann für
unsere irdische Person nur dadurch Erfahrung werden, dass
eine transcendentale Vorstellung über unsere Empfindungs-
schwelle hinweg ins sinnliche Bewusstsein eindringt und dort
die Form sinnlicher Vorstellungen annimmt, womit sie eben
aufhört, leibfrei zu sein. Sollte aber v, Hartmann noch weiter
einwerfen, dass auch das transcendentale Subjekt
nicht leib frei erkennen kann, so trifft er damit höchstens
die rein spiritualistische Seelenlehre, aber
nicht meine monistische, in welcher das transcendentale
Subjekt überhaupt nicht leibfrei ist; denn ich habe
nun schon zwei Bücher zur Definition des transcendentalen
Subjekts geschrieben**) und darin nachgewiesen, dass das
*) v. Hartmann x — „Moderne Probleme". 2. Auf! 272.
**) Die „Philosophie der Mystik" und die „Monistische Seelen-
lehre".
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