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Seher Thosz; Aus dem Gebiete der Uebersinnlicheiu (j-J
Mannes bei so unerwartetem Befehl war gross. Er folgte
dem Könige mit seinem Schlüsselbunde. Zuerst öffnete er
die Thür einer Gallerie, die eine Art Vorzimmer und
Durchgang war. Der König trat hinein, aber gross war
sein Erstaunen, als er sah, dass die Wände ganz schwarz
ausgeschlagen waren.
„AVer hat Befehl gegeben, die Wände schwarz auszuschlagen
?" frug er zornig. — „Sire, Niemand", antwortete
der Diener.
Der König, raschen Schrittes vorangehend, war schon
über zwei Drittel der Gallerie hinaus. Der Graf und der
Diener folgten ihm auf den Fersen, Dr. Baumgarten blieb
ein wenig zurück, getheilt zwischen der Furcht, allein
zurück zu bleiben, und der, sich einem Abenteuer auszusetzen
, das sich in so sonderbarer Weise ankündigte. —
„Gehen Sie nicht weiter, Sire," sagte der Diener; „bei
meiner Seele, dahinter steckt Hexerei! Jetzt, seit dem
Tode der Königin, geht dieselbe, wie man sagt, in dieser
Gallerie um. Gott beschütze Eure Majestät!44 — „Halten
Sie ein, Sire", sagte der Graf seinerseits, „hören Sie nicht
diesen sonderbaren Ton, der aus dem Ständesaal herüber
dringt?" — „Sire", sagte Dr. Batimgarten, indem er vor
dem grossen Saale stehen blieb, während ein Windstoss
seine Kerze ausblies, „gestatten Sie wenigstens, dass ich eine
Kompagnie von Ihren Trabanten holen lasse/' — „Lasst
uns hineingehen", sagte der König mit fester Stimme, „und
Du, Saaldiener, öffne schnell diese Thür!" Er stiess mit
dem Fuss daran, und das dadurch erzeugte Gekrach hallte
im Echo der Gewölbe wie ein Kanonenschuss wieder.
Der Diener zitterte dermaassen, dass sein Schlüssel an
das Schloss stiess, ohne dass er ihn hereinbrachte.
„Ein alter Soldat, der zittert", sagte Karl mit Achselzucken
. „Rasch, Graf, öffnet uns die Thür!"
„Sire", antwortete der Graf, einen Schritt zurückweichend,
„möge Eure Majestät mir befehlen, gegen die Mündung einer
dänischen oder deutschen Kanone zu marschieren, ich werde
gehorchen; aber Sie wollen, dass ich der Hölle trotze."
Der König entriss den Schlüssel den Händen des
Dieners. — „Ich sehe wohl", sagte er mit einem Tone der
Verachtung, „dass dies meine Sache allein ist", und ehe ihn
sein Gefolge daran hindern konnte, hatte er die dicke
Eichenthür geöffnet und war mit den Worten: — „Gott
helfe mir!" in den grossen Saal getreten. Seine drei Gefährten
, sich schämend, den König zu verlassen, waren mit
ihm eingetreten.
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