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Witiig: Herr Bölsche in Berlin contra Telepathie undSpirit. 101
iu Philosophie und exacter Psychologie mitzureden und ihre
Ansichten drucken zu lassen, sich in vollkommenster Un-
kenntniss darüber befinden, dass der Geist als solcher nie
und unter gar keinen Umständen das, was der Physiker
Kraft nennt, selbst aus einem metaphysischen Nichts und
Nonsens schaffen kann; dass durch das menschliche Gehirn,
wofern das Gesetz von der Erhaltung der Kraft irgendwie
wahr und unsere Physik nicht ein baarer Wahnsinn sein
soll, eine Kraftwelle geht, wie durch alles Andere in
der Welt, die beim Eintritt ziffernmässig (?) genau ebenso
gross ist wie beim Austritt, und von der absolut keine noch
so kleinen Stücke sich willkürlich in ein finsteres Jenseits
verlieren können, um nachher nach eigenster Direction in
einem andern Gehirn wieder auftauchen zu können. Mag
man über die Freiheit des Willens denken, wie man will:
ganz unbedingt kann der Wille nur mit den Kräften arbeiten,
die von aussen in das Gehirn eintreten, und muss mit der
Zeit alle bis auf das kleinste Trilliontel des Kraftmaasses
wieder weiter ziehen lassen. Psychische Kräfte in
diesem Sinne, die mystische Nullen hinter die empfangene
Kraft Eins setzen und diese so verzehnfachen, giebt es für
die Physik in unserem Sinne nicht. Die Frage ist also
durchaus die Existenzfrage dieser Physik: entweder Gesetz
von der Erhaltung der Kraft, oder Thelepathie. Das Wort
'geistige Kraft* im Sinne der Telepathiker umschliesst
eine Wort Verdrehung, die nothwendig dazu angethan
ist, den Hörer hinter's Licht zu führen, indem es ihn
glauben macht, es handle sich hier thatsächlich nur um
eine neue Erscheinungsform des gewöhnlichen
physikalischen Kraftbegriffes, ein neues Aequivalent für
Wärme, Bewegung, Elektrizität, wo es sich doch in Wahrheit
um etwas handelt, was völlig ausserhalb dieser echten, unter
sich gleichwertigen und niemals verloren gehenden und neu
auftauchenden Kräfte steht. Zugeben will ich allerdings,
dass unsere Physiker selbst gelegentlich Anlass zu solcher
verkehrten Auffassung liefern, indem §jie beispielsweise
'Gravitation' als 'Anziehungskraft des einen Körpers
auf den andern durch den leeren Raum' definiren. Ein
solcher leerer Raum entspräche fast genau dem metaphysischen
Hintergründe, durch den die Pseudo-
kraft des Telepathikers läuft, und die Anhänger der
neuen Lehre lieben es bereits, auf diese Verwandtschaft
triumphirend hinzuweisen. Das grosse Unglück für sie
besteht eben darin, dass jene zweideutige Definition des
Gravitationsgesetzes zwar noch in schlechten Schulbüchern
spukt, dass aber kein einziger wirklich mitarbeidenter
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