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du Prel: Es giebt ein transcendentales Subjekt. 1?3
noch weiter genöthigt, die Steigerung bis zum Fernsehen
auszudehnen. Dagegen gelingt es der Mystik leicht, den
obigen Dualismus zu überwinden, indem sie nachweist, dass
das transcendentale Subjekt auch das oiganisirende Prinzip
in uns ist.
Wäre die Seele nicht organisirend, so könnte es
nicht zu unserer eigenen Existenz kommen. Das gilt nicht
etwa nur von der Bildung des Fötus im Mutterleibe, sondern
schon von der allerersten Bedingung < nserer Inearnation,
nämlich von den Trieben und Gefühlen, die der Ehe unserer
Eltern vorausgingen. Der äusserliche Anhi^s zur Liebe liegt
in den körperlichen Foi\ en, besonders des Gesichts, eines
Individuums des anderen Geschlechtes. Diese Formen
erregen unser Wohlgefallen, welches aber — wie
Schopenhauer klar erwiesen hat — nicht bewusst ästhetisch,
sondern unbewusst metaphysisch insofern ist, als wir uns
von den Motiven der Wahl keine Rechenschaft zu geben
vermögen. Das Resultat der Wahl fällt ins Bewusstsein,
das Motiv ist nur dem transcendentalen Subjekt bewusst.
Für den blossen Geschlechtstiieb genügt es, dass das Objekt
einem anderen Geschlecht angehört; die Liebe dagegen
richtet sich zugespitzt auf ein bestimmtes Individuum des
anderen Geschlechts, dessen körperliche Formen also unseren
Anforderungen besser entsprechen, als die Formen anderer
Individuen. Da nun aber das transcendentale Subjekt Anforderungen
von organischer Besonderheit stellt, so setzt das
nothwendig einen organischen Maaszstab voraus, ein im
transcendentalen Bewusstsein liegendes organisches Schema,
an welchem das Objekt gemessen wird, und dessen Ueber-
einstimmung mit dem Schema den Grad der Liebe bestimmt.
Das kann aber nur eine Seele thun, die selber organisirend
ist. Die Weltseele genügt zur Erklärung nicht; donn wiewohl
uns die Bestimmungsgründe der Wahl unbewusst
bleiben, wählen wir doch mit individuell verschiedenem
Geschmack aus; also muss unsere Individualität über das
Bewusstsein hinausreichen, ins Unbewusste hineinreichen.
Die Geschlechtsliebe beweist also, dass die Seele metaphysisch
ist, dass sie individuell, weil kritisch, ist, und
dass sie endlich organisirend ist.
Weil nun aber der Materialist das Organisiren ganz
unbedenklich als eine Funktion der Materie hinstellt, so war
ich gezwungen, meine Beweise, dass die Seele das
Organisirende sei, nicht der Biologie und Physiologie
zu entnehmen, sondern ganz anderen Gebieten: der
Aes+hetik und Technik, dem Somnambulismus und Hypno-
tismus. Ich habe zu zeigen versucht, dass das Prinzip des
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