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128 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 3. Heft. (März 1889.)
magnetischen Kräfte dazu beitragen, diese Fragen der
Lösung entgegenzuführen.
Die Vorkommnisse des „Zweiten Gesichtes", von
denen wir drei Fälle angeführt, leiten uns, wie gezeigt,
nothwendig zu der Folgerung, dass der dem menschlichen
Körper innewohnende Geist etwas Anderes sein müsse, als
ein blosses Produkt der Gehirnthätigkeit, dass er vielmehr
als ein eigenartiges geistiges Wesen aufzufassen sei, das in
Folge seiner engen Verbindung mit dem physischen Leibe
wohl durch dessen Organisation beeinflusst sein mag, aber
seinem Ursprung und seiner Wesenheit nach einer höheren
Naturordnung angehört, als der stofflichen, materiellen» Als
Argument für diese Behauptung dient uns die Thatsache,
dass ein sterbender Mensch dem anderen, noch lebenden
in dem Augenblick der körperlichen Auflösung in seinem
individuellen Bilde zu erscheinen oder sonst ein Abschiedszeichen
zu geben vermag. Wäre der menschliche
Geist ausschliesslich eine Emanation der Materie, so müsste
mit dem leiblichen Tode auch der Geist erlöschen. Er
könnte sich Niemandem zeigen, denn was nicht existirt, kann
nicht in Erscheinung treten. Das ist selbstverständlich.
Man könnte einwenden, dass die in Rede stehende Kundgebung
vielleicht nicht nach dem letzten Athecazuge des
Sterbenden eintritt, sondern einen Augenblick vorher.
Hierüber Gewissheit zu erhalten, dürfte kaum je gelingen,
und ist auch nicht von Bedeutung, da in dem einen wie in
dem anderen Falle die Kundgebung psychischer Natur ist.
Uebrigens spricht die Wahrscheinlichkeit für die erstere
Alternative, denn, wie bekannt, mangelt dem Menschen
während seiner Lebenszeit die Fähigkeit, einer anderen,
abwesenden Person zu erscheinen. Die Vermuthung ist
also gerechtfertigt, dass die Erscheinung durch den vom
Körper losgelöseten Geist bewirkt wird.
Die telepathischen Erscheinungen bieten uns
keine Anhaltspunkte für die Annahme eines Fortlebens der
Seele nach dem leiblichen Tode. Allein die transcen-
dentalen Erscheinungen, die an gewissen Oertlich-
keiten in Menschengestalt und dauernd auftreten, lassen die
Deutung zu, dass sie Seelen verstorbener Menschen
sind, womit die Frage von der Fortlebensfähigkeit der Seele,
als unstofflichem Wesen, in affirmativem Sinne entschieden
wäre. Wir verschliessen uns keineswegs den schwer wiegenden
Gründen, welche dieser Hypothese entgegenstehen, müssen
uns aber vor der Logik der Thatsachen beugen, so lange
für das Dasein dieser occulten Erscheinungen keine plausiblere
Erklärung gefunden ist. Vielleicht ist den vom Schicksal
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