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Hensel: Der Resauer Spuk. Anmerkung der Redaction. 167
Die Beweisaufnahme war damit beendet, und es begannen
die Plaidoyers. Vertheidiger Rechtsanwalt Dr. Bieber (Berlin):
— „Ich beantrage die Freisprechung meines Clienten. Die
heutige Beweisaufnahme hat nicht den geringsten positiven
Beweis für die Schuld des Angeklagten ergeben. Die Aussagen
der Zeugen Kopath und Bolz sind um so weniger von
Belang, als dieselben in der Verhandlung zu Werder nicht
bekundet haben, dass sie den Angeklagten haben werfen
sehen. Dagegen hat eine Reihe durchaus glaubwürdiger
Zeugen Dinge beobachtet, die die Thäterschaft des Angeklagten
vollständig ausschliessen. Wir leben glücklicher
Weise in einem Zeitalter, wo man an Spuk und Wunder
nicht mehr glaubt, ich muss aber bekennen, es wäre ein
unerklärliches Wunder, wenn der Angeklagte all* diese
Dinge fertig gebracht hätte. Der Angeklagte müsste ein
reiner Taschenspieler sein, wenn er die ihm zur Last gelegten
Handlungen gethan hätte. Es ist auch gar nicht einzusehen,
welches Motiv den Angeklagten veranlasst haben könnte,
all* diese Dinge zu begehen. Der Angeklagte hatte es bei
seinen Grosseltern sehr gut, er hatte also keinen Grund,
derartige Sachen zu machen. Es ist nicht meine Aufgabe,
zu untersuchen, wer der Thäter gewesen ist, jedenfalls
lassen die Zeugenaussagen es für möglich erscheinen, dass
eine dritte Person ihre Hand im Spiele gehabt hat. Ich
bin überzeugt, der hohe Gerichtshof wird, auf blosse Indizien
hin, den Angeklagten nicht verurtheilen," —
Staatsanwalt Stadion?: — „Ich habe mir vorgenommen
sehr kurz zu sein, die Rede des Herrn Vertheidigers veranlasst
mich jedoch, mich etwas eingehender zu äussern» Ich
habe offen gestanden nacli den Agitationen, die von gewisser
Seite unternommen wurden, eine ganz andere Vertheidigungs-
rede erwartet. Die Spiritisten kamen, trotz grosser Kälte,
in Schaaren von Berlin nach Resau, um sich das Spukhaus
anzusehen. Sie haben selbst den Herrn Justizminister ersucht
, das Gerichtsverfahren zu inhibiren, da dasselbe der
Würde des Gerichts schaden und den geistlichen Stand
lächerlich machen könnte. Die Beweisaufnahme hat ergeben,
dass kein Anderer als der Angeklagte die Dinge gemacht
hat. — Der Staatsanwalt beleuchtete alsdann die Einzelheiten
der Beweisaufnahme und bemerkte: — „Diejenigen Zeugen,
die den Angeklagten entlastet, sind eben der Meinung, dass
ein unsichtbarer Geist dies Alles hervorgebracht hat; auf
deren Aussagen ist mithin wenig Gewicht zu legen. Das
Motiv, das den Angeklagten geleitet hat, gipfelte in der
Absicht, sich einen, selbstverständlich sehr frivolen, Scherz
zu machen. Er begann mit dem Klopfen, und da er sah,
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