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168 Psyohische Studien. XVI. Jahrg. 4. Heft. (April 1889.)
dass dies ihm glückte, so ging er eben weiter. Ich beantrage,
die Berufung zu verwerfen und das Urtheil der ersen
Instanz zu bestätigen." —
Vertheidiger Rechtsanwalt Dr. Bieber: — „Ich muss
dem Herrn Staatsanwalt erwiedern, dass ich es nicht für
angezeigt halte, im Gerichtssaale zu debattiren, ob es einen
Spuk gebe, sondern lediglich die nackten Thatsachen ins
Auge zu fassen. Diese sind aber meiner Meinung nach
nicht geeignet, die Schuld des Angeklagten festzustellen.
Was die Spiritisten gethan, ist mir unbekannt, ich stehe
den Spiritisten vollständig fern." Staatsanwalt Stachow: —-
„In der in München erscheinenden Zeitschrift „Sphinx"
steht: — 'Herr Rechtsanwalt Dr. Bieber hatte den Muth,
die Vertheidigung zu übernehmen', danach nahm ich an :
Herr Rechtsanwalt Dr. Bieber sei von den Spiritisten als
Vertheidiger bestellt."
Vertheidiger Rechtsanwalt Dr. Bieber: — „Ich habe
bereits schon einmal Veranlassung genommen, den Zeitungen
mitzutheilen, dass ich von den Spiritisten nicht als Vertheidiger
bestellt worden bin. Ich wiederhole diese Erklärung
hiermit. Die 'Sphinx' oder sonstige spiritistische
Zeitschriften lese ich nicht." —
Der Gerichtshof zog sich hierauf zur Berathung zurück.
Nach etwa halbstündiger Berathung verkündete der Präsident
Landgerichtsrath Haeckel: — „Der Gerichtshof hat für erwiesen
erachtet, dass der Angeklagte der Verüber des
Klopfens am 13. November, sowie der Werfer der Kartoffeln,
des Schinkenknochens und des Messers am 15. November v. J.
gewesen ist. Ebenso hat der Gerichtshof durch die Beweisaufnahme
die Ueberzeugung gewonnen, dass der Angeklagte
dem Zeugen Neumann die Fenster eingeworfen hat. Was
das Strafmaass anlangt, so hat der Gerichtshof angenommen,
dass, wenn auch eine dritte Hand im Spiele gewesen sein
mag, die Hauptschuld doch immerhin den Angeklagten trifft.
Es ist ja allerdings nicht zu verkennen, dass an der Ausdehnung
des Unfugs den Angeklagten nicht die alleinige
Schuld trifft, sondern dass das Verhalten seiner Umgebung
den Angeklagten verlockt hat, seine tollen Streiche fortzusetzen
. Das Preussische LandrecLt hatte für solchen Unfug
praktische Bestimmungen; es verordnete die körperliche
Züchtigung. Der Gerichtshof ist nicht in der Lage, eine
solche Strafe zu verhängen, dagegen erachtet er die vom
ersten Richter erkannte Strafe für angemessen. Der
Gerichtshof hat deshalb im Namen des Königs für Recht
erkannt, dass die Berufung des Angeklagten zu verwerfen
und das Erkenntniss des ersten Richters zu bestätigen ist."
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