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178 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 4. Heft. (April 1889.)
Körper, Seele, Geist — ausgesprochen, und die indische
Mystik weiss sogar von sieben Bestandteilen des Menschen.
Psychologisch möglich und logisch denkbar sind solche
Hypothesen, weil wir ja auch im Traum in drei oder sieben
Personen auseinanderfallen können. Ks fragt sich nur, ob
eine Nöthigung dazu vorliegt.
Nun ergab sich die Nöthigung ein transcendentales
Subjekt anzunehmen, aus der qualitativen Verschiedenheit
der mystischen Fähigkeiten von den normalen.
Innerhalb der mystischen Fähigkeilen finden wir aber wohl
Gradunterschiede, jedoch keine so bedeutenden Qualitätsunterschiede
, dass wieder sekundäre Spaltungen des
transcendentalen Subjektes angenommen werden niüssten.
Wie nun aber beim Erwachen aus dem Traume die
dramatische Spaltung aufhört, die verschiedenen Personen
des Traumes und deren Bewusstseinsinhalt wieder znsammen-
rinnen, so werden auch im Tode dio beiden für die irdische
Lebensdauer getrennt gewesenen HiUften unseres Wesens
wieder zusammenrinnen. Der Tod vernichtet uns weder im
Sinne des Materialismus, noch lässt er uns im Ail zerfliessen,
wie einen Regentropfen im Meere, sondern er steigert unsere
Individualität, indem das transcendentale Subjekt die Ergebnisse
unserer irdischen Lebensmühen aufsaugt.
Ich glaube also, dass-wir, ausgehend von einer wissenschaftlichen
Analyse des gewöhnlichen Traumes und
fortschreitend zur Analyse des vertieften somnambulen
Traumes, zur Anerkennung eines transcendentalen Subjektes
kommen müssen. Insofern betrachte ich das Schlafleben als
einen ebenso wichtigen Gegenstand der Forschung, als das
wache Leben, und wenn ich etwa getadelt werden sollte, dass
ich eigentlich nur eine Philosophie des Schlafes
geschrieben, so könnte ich dagegen nichts einwenden, man
müsste denn eine Philosophie meinen, bei der der Autor
geschlafen habe.
Ich habe es im Vorstehenden versucht, in möglichst
kurzen und präcisen Sätzen die Existenz eines trans-
scendentalen Subjektes zu begründen, dessen nähere
Definition die weitere Aufgabe der Philosophie wäre, wTährend
verschiedene Bestandtheiie obiger Darstellung schon in meinen
bisherigen mystischen Schriften weiter ausgeführt sich finden.
Eine Weltanschauung, deren Quintessenz sich nicht kurz
und präcise ausdrücken lässt, taugt nichts. Die Philosophie
wird ja so Manchem dadurch veileidet, dass die Autoren
ihr deutliches Stichwort nicht aussprechen und zwar wohl
den langen Ausdruck ihrer Ideen finden, aber nicht den
kurzen. Es geht ihnen, wie Lessing, der einst einem Freunde
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