http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1889/0297
Krepelka: Ludwig Börne Ober Ohrenklingen etc.
289
Sass ein so uralter und allgemein verbreiteter Glaube auch
meinen guten Grund haben müsse. Ich glaube fest an die
Telepathie; warum dürfte das Ohrenklingen nicht eine
telepathische Wirkung sein? Nun erfahre ich, dass Ludwig
Körne, welcher in diesem Fache auch wohl ein Laie war,
mf denselben Gedanken und zwar durch den entgegengesetzten
Weg gekommen ist. Börne hält das Anrufen
3iner Somnambule aus der Ferne für möglich, eben weil
jener allgemein verbreitete Glaube über das Ohrenklingen
seit uralter Zeit existirt. Es wird vielleicht den Leser
r<teressiren, wie sich der geniale Schriftsteller in einem
Briefe vom 15. Januar 1817 gegenüber demselben äussert *)
„Sie waren gestern Nachmittag bei 0. gegenwärtig, als
Dr. R. über Magnetismus sprach und dabei eine Geschichte
vorlas, dass eine Hellseherin behauptet habe, weit entfernten
Personen, indem sie ihren Namen ausspreche, sich hörbar
f.\x machen. Sie sahen mich darauf etwas in mein Taschenbuch
einschreiben; es war das Merkzeichen zu folgendem
Gedanken: — Warum sollte jenes Zurufen aus der
Kerne unmöglich sein? Spricht nicht die gewöhnliche
Redensart dafür, dass Einem die Ohren klingen, wenn ablesende
Personen von ihm sprechen ? — Man sollte keinen
Aberglauben belachen, sondern zernichten, indem man sich
)emüht, zu seinem Ursprünge hinaufzusteigen und ihn
latürlich zu erklären."---
„In den Ueberlioferungen des Aberglaubens sind uns
Gesetze der Natur zugekommen, deren Bilderschrift wir zu
3nträthselr uns bemühen sollen, so hindernd uns auch der
^pott und die eitle Anmaassung solcher Menschen in den
Weg treten, welche die Grenzen ihres Wissens für die
Grenzen der Wissenschaft halten. Ach, meine Freundin,
könnten Sie nur einen einzigen Blick thun in die geheimnissvolle
Tiefe des Magnetismus, von welchen erhabenen Dingen
würden Sie Ihr tägliches Leben umringt sehen, und weiche
Nichtswürdigkeit würden Sie oft in dem erkennen, was den
Menschen als das Höchste und Heiligste erscheint und er
<uin Götzen seiner Anbetung macht! Mit welchem Erstaunen
■nd Schrecken würden Sie wahrnehmen, dass es nur der
Erdgeist ist, den wir als den höchsten Gott verehren.**)
Mit welcher Freudigkeit würden aber auch Sie verstehen
lernen, dass jedes Basein unvergänglich, und das menschliche
*) L. Bome's „Nachgelassene Schriften.*1 Mannheim, 1844. IL Bd.
5. 259.
**) Die Erde wird hier, wie von manchen Philosophen, als ein
beseeltes Wesen aufgefasst, in welchem wir, wie die Amoebe in
unserem Blute, eine selhstständigo Existenz führen. — M. Kr.
Psyohisohe Stadien. Juni 1889. 19
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1889/0297