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300 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1889.)
auf einen langen Papierstreifen, macht daraus eine Bolle,
taucht, diese ins Wasser und bespritzt damit dreimal die
Itschiko. Diese, mit dem Ellbogen auf ihren Zauberkasten
gestützt und den Kopf auf die Hand gelehnt, murmelt
bebete und Beschwörungsformeln, bis sie die Seele der
todten oder abwesenden Person herbeigerufen hat, von der
nun angenommen wird, dass sie das Medium beseelt und
durch den Mund desselben die vorgelegten Fragen beantwortet
. Die Prophezeihungen, welche die Itschiko während
ihrer Verzückung ausspricht, werden von dem abergläubigen
Volk in hoher Achtung gehalten, (s. „Daheim-Beilage"
Nr. :\0 v. 24. April 1886.) (Vergl. sub a) und /).)
d) In der Angelegenheit des angeblich lebendig
secirten Gedankenlesers Bishop, über die wir
schon wiederholt berichtet, wird aus New-York weiter
gemeldet: — Die hinterlassene Wittwe behauptet hartnäckig,
Bishop hätte sich nur in einem „kataleptischen" Zustande
befunden; in einen solchen sei er schon früher einmal verfallen
und erst nach 48 Stunden wieder zu sich gekommen.
Die Aerzte, welche ihn secirten, hätten erst in Wirklichkeit
seinen Tod herbeigeführt. Die Leichenöffnung wurde nämlich
in solcher Eile vollzogen, dass weder seine Verwandten noch
Freunde etwas von dem angeblichen Tode hörten, bis es zu
spät war, um die Aerzte zu warnen. Mr. Bishop hatte in
seinem Testament die Bestimmung hinterlassen, dass sein
Körper nicht geöifnet oder begraben werden sollte, ehe er
Spuren von Verwesung zeige, da er fortwährend von der
Furcht gequält wurde, er könnte während eines Krampfanfalls
beeidigt oder getödtet werden. Die Aerzte entschuldigten
sich damit, dass sie die Gewissheit gehabt
hätten, der Tod sei eingetreten, und dass die Bildung des
Gehirns des Gedankenlesers für die Wissenschaft von besonderem
Interesse gewesen sei. Von der inzwischen erfolgten
Verhaftung der drei Aerzte wissen unsere Leser bereits.
(1. Beil. zu Nr. 142 des ».General-Anzeigers für Leipzig und
Umgebung" v. 23. Mai 1889.) — Als ob die Blosslegung der
Bildung des Gehirns des Gedankenlesers seine geistige
Fähigkeit, Gedanken zu lesen, irgendwie erklären könnte !
War es nicht besser, sie behielten den lebendigen Gedankenleser
und studirten diesen recht genau? Aber die meisten
Aerzte glauben mit ihrem Secirmesser auch den Geist
oder die Seele des Menschen blosslegen zu können, — ein
Grundirrthum unserer modernen Wissenschaft eines rein
mechanischen Materialismus. (Vergl. sub &).)
e) Eine geheimnissvolle Geschichte. — Aus
London, d. 18. Mai er., wird der „Frankfurter Zeitung"
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