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Kurze Notizen.
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geschrieben: — „In einem hiesigen Drawing Room trug
sich kürzlich folgender Vorfall zu, der als Beweis gelten
mag, dass in unserem 19. Jahrhundert der Aberglaube
noch nicht völlig ausgestorben ist. Eine Dame, so erzählt
der 'Daily Telegraph', verlor eines ihrer mit kostbaren
Brillanten besetzten Ohrgehänge, und trotz allem Suchen
blieb es spurlos verschwunden. Ein eben erst aus Ostasien
zurückgekehrter Gentleman machte den Vorschlag, er wolle
vermittelst einer indischen Spezerei das vempsste Juwel
auffinden. Er ersuchte die Gesellschaft, sich zu setzen,
verliess das Zimmer und erschien gleich wieder mit einem
farbigen Kelchglas, das eine Flüssigkeit enthielt. Er ersuchte
alle Anwesenden, ihre Pinger ins Glas zu tauchen, und
Derjenige, welcher aus Versehen oder zum Scherz sich das
Kleinod angeeignet, werde seine Hand blutroth herausziehen.
Dieser Probe unterzogen sich alle Gäste; nur zogen sie alle
ihre Pinger ungefärbt wieder heraus; aber das Ohrgehänge
fand sich auf dem Boden des Glasbechers. Die Erklärung
dieser Erscheinung kann der Leser selbst suchen." („Leipz.
Tagebl." v. 25. Mai er.) — Wir fragen; Warum hat denn
der gewiss theosophisch sein sollende Gentleman nicht selbst
seinen Finger zuerst oder zuletzt mit hineingetauchtV Aber
vielleicht liegt der wirkliche Fall noch etwas anders, als er
hier mitgetheilt ist. Die Londoner Tagesblätter sii>d sichtlich
kühn gemacht durch das kritiklose Vorgehen des „ Athenaeum"
vom 16. März er. gegen das von dem Rechtsgelehrten Mr.
C. C. Massey ins Englische übersetzte Werk Dr. du Prefs
„Philosophie der Mystik" 1884, (London, Redway,
1889) und erfinden offenbar Geschichten, um die Wirkung
seiner Beispiele zu schwächen oder ins Lächerliche zu ziehen.
Das Werk soll „wundergierig und überaus unkritisch*' sein;
dies beweise z. B. „die Erzählung der seltsamen Erscheinung
der berühmten Aspasia" mehr als genügend. Aber ebenso
urtheilten die Herren Kritiker vom Katheder über Hansen,
als er ihnen seine hypnotischen Experimente zuerst vorführte.
Ihrer blossen Beschreibung nach war Alles Lug und Trug
und Schwindel, und doch hatten sie sieht- und greifbare
Pakta vor sich! Es ist ein wundersamer Mischmasch von
Kritik, wenn wir da lesen: — „Neben schlecht bezeugten
Wundern finden wir geistreiche und weitgehende, wenn auch
ungesunde Betrachtungen; mystische Buddhisten und Philosophen
'des Unbewussten' drängen sich Schulter an Schulter
mit Kant und — unglaublich — sogar mit dem grossen
Verkündiger der Thatsachen und der Natur, Francis Bacon"..
Aber warum hält sich denn der Londoner Kritiker nicht
ebenso an diese Thatsachen der seelischen Natur,
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