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308 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1889.)
langer Unterwürfigkeit erhielten. Ausführlicheres über alle
damals vorgekommenen wundersamen Phänomene enthält
der angezogene Artikel.
Diese Burg Crossen soll uns hier noch einmal beschäftigen
als gleich wundersamer Schauplatz eines
Ereignisses, welches von historisch glaubwürdigen Personen
gut bezeugt erscheint. Wir geben den Bericht eines Herrn
H. Leher in „Alte und Neue Welt. Blustrirtes
Katholisches Familienblatt" 6- Heft 1889, 23. Jahrgang.
(Einsiedeln in der Schweiz, Blezinger u. Co>,)*) in nebensächlichen
Dingen kurz referirend, in den wesentlichen
Theilen aber wörtlich wieder. Das hier zu Berichtende fand
kaum 8 Jahre vor Iriedrich's des Grossen Durchmarsch und
dem vorbedeutungsvollen Glockensturze statt.
Der prachtliebende Kurfürst Friedrich August 1. von
Sachsen (1694—1733) und König von Polen (1697-1733)
stand mit König Friedrich Wilhelm 1. von Preussen, dem uns
um seiner Sonderbarkeiten willen (s. „Psych. Studien"
September-Heft 1888 S. 426 ff.) bereits bekannten und so
gestrengen Vater Friedrichs des Grossen, seit dem Lustlager
von Zeithain in Sachsen (Juni 1730) in freundschaftlichsten
Beziehungen. Dennoch beargwöhnten sich Beide in ihrer
Politik und suchten sich gegenseitig heimlich auszukundschaften
. Ende des Jahres 1732 begab sich König August
der Starke von Dresden aus auf die Heise nach Warschau
über das Grenzstädtchen Crossen in der Niederlausitz.
Hier sollte nach dem Plane König Friedrich Wilhelm des
den die Gicht in Potsdam gefesselt hielt, wo er „in
tormentis pinxit'% d. h. unter Polterqualen seine Oel-
bilder malte, sein beliebter Feldmarschall General Grumbkow
den reisenden Polenkönig begrüssen, bewirthen und in seinen
Plänen klug ausholen. Es kam nach der Sitte der damaligen
Zeit zu einem solennen Gelage, dessen eingehende? aber
höchst charakteristische Schilderung wir zwar dem besonderen
Studium culturhistorischer Forscher empfehlen, unseren
Lesern aber hier ersparen wollen, welches sowohl den König,
als den General derart in Anspruch nahm, dass darüber
Beide ganz ihrer Politik vergassen. Ein zeitgenössischer
Memoirenschreiber meldet uns, dass die Beiden an dem
fraglichen Abend nicht „über-", sondern „unter"-menschlich
tranken. Dem Könige war wegen einer alten aufgebrochenen
*) Dieses Journal wurde mir durch einen aufmerksamen Forscher
und freundlichen Correspondenten aus Glatz, Herrn Max Kr,, übermittelt
, wofür ich ihm hiermit meinen verbindlichsten Dank ausspreche.—
Der Sekretär der liedaction.
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