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Wittig: Die Vision des Generals von Grumbkow. 309
Wunde an den mittleren Zehen seines JFusses, von einem
Kraftsprunge herrührend, den er einst (um 1693) vom
Eussboden weg auf einen Marmortisch gethan, wobei dieser
umschlug und ihm die mittleren Zehen zerschmetterte, der
Weingenuss ärztlicherseits dringend widerrathen worden. Er
kam mit einem guten Rausch davon, während der General
Nachts aus Versehen über eine Stufe im Hofe zu Fall
kam, mit der ganzen Wucht seines schweren Körpers auf
die Deichsel eines der sächsischen Reise wagen stürzte und
dabei zwei Rippen brach. Am andern Morgen musste er
sich in einem Tragsessel vor Seine polnische Majestät bringen
lassen. Wir lassen jetzt den Berichterstatter weiter erzählen
: —
„Der König empfing ihn noch im Morgenanzug, einem
langen, vorn geöffneten seidenen Hemde, darüber einen
kurzen Pelz nach polnischem Schnitte. Sein Haupt hatte
er bereits mit der warmen weissgrauen Perrücke bedeckt,
welche er seit einigen Jahren zu tragen pilegte, nachdem er
so lange Zeit, entgegen der Mode von Versailles, die sonst
ihm heiliges Gesetz war, sein eigenes, allerdings herrliches,
schwarzes, etwas gelocktes, natürliches Haar getragen und
sich geweigert hatte, die Lockenthürme der damaligen Haartracht
aufzusetzen* Nur bei den feierlichsten Gelegenheiten
bediente er sich derselben.
„August empfing den verunglückten Marschall mit herzlichem
Lachen und verspottete ihn wegen seines Missgeschickes.
Ais er jedoch bemerkte, wie peinlich es Grumbkow wurde,
seine Schmerzen zu verbergen, änderte er sofort den Ton.
Gutmüthig, wie er war, duldete er nicht, dass sich
Grumbkow in seinem leidenden Zustande weiter um ihn
bemühe; er sprach ihm seine vollste Zufriedenheit über den
ihm bereiteten Empfang aus und befahl ihm, sich zu Bette
legen. Vergebens sträubte sich Gr., der König duldete
keinen Widerspruch.
„Wenige Stunden darauf verliess König Friedrich August
Crossen, in dessen Räumen es wieder öde und still wurde;
das richtige Plätzchen für das einsame Krankenlager des
tiefgedrückten Grumbkow's, der mit vollster Müsse seinen
trüben Gedanken nachhängen konnte. — Mit Beschämung
gestand sich der Marschall immer wieder aufs Neue seine
diplomatische Niederlage. Dazu gesellte sich die unangenehme
Ungewissheit, wie sein königlicher Herr wohl die
Sache aufnehmen würde. —
„Der Monat Januar 1733 ging dahin, und noch immer
erlaubten die Aerzte nicht, dass Grumbkow abreise, Die
Aufregung und Ungeduld Gr.9» raubte ihm den Schlaf, oder
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