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312 Pyschische Studien. XVI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1889.)
uns, ich liebe ihn und ästimire ihn, er hielte mir vieles zu
gute, und wenn wir uns böse gemacht hatten, wurden wir
gute Freunde mehr als zuvor, und es war mein Mann, und
habe ich vor ihm gethan, was ich vor keinem Minister der
AVeit thun werde. Was Seckendorff bei mir nicht ausrichten
können, mag ein Anderer wegbleiben. Meine Frau und die
ganze Welt ist gegen ihn, der Fürst von Anhalt und mein
Sohn hassen ihn wie die Pest, aber er ist doch ein brav
Kerl und hat mich lieb.' —
„Grumbkow wusste, dass er auf diesen Freund zählen
könne, der ihm sowohl durch das eigene Interesse als durch
die Pflichten der Dankbarkeit verbunden war. Selbst persönlichen
Zwist zwischen dem Könige und Seckendorff hatte
Gr. schon geschlichtet. Einst geriethen die beiden im
Tabakskollegium in ein lebhaftes Wortgefecht. Der König
erklärte, gewisse Hilfsvölker, deren Stellung er versprochen,
nicht abgeben zu wollen. Der hitzige Seckendorff schrie: —
'Ein ehrlicher Mann hält sein Wort!* — Der König erhob
sich bereits mit blitzendem Auge gegen den kühnen
Sprecher, eine Katastrophe schien unvermeidlich. — Da zog
Grumbkow einen Kreisel, den er angeblich für den kleinen
Prinzen Heinrich mitgebracht hatte, aus der Tasche und
Hess ihn auf dem Tische tanzen. Brummend sprang das
drollige Ding zwischen den Gläsern umher, einige derselben
umwerfend. Das kindische Spiel erzielte seine Wirkung.
Die Situation war zu komisch, als dass der Ernst der gefährlichen
Minute beibehalten werden konnte. Alles begann
zu lachen, der König am meisten. Eine durch und durch
ehrliche Natur, ging er auf Seckendorff zu, schüttelte ihm
die Hand und sagte: — 'Er hat recht gehabt.' — Grumbkow,
der sich nach dem Misslingen seiner diplomatischen Sendung
beim König nicht mit Unrecht in Ungnade wähnte, bat
diesen Freund, dem König die merkwürdige Nachricht bei
der Parade mitzutheilen!
„Der Courier, der sofort von Crossen abritt, sprengte
am nächsten Morgen um 5 Uhr vor dem österreichischen
Gesandtschaftspalais in Berlin vor. Die Stunde ist uns
durch eine Aufzeichnung des damals bei Seckendorff befindlichen
Christoph Ludwig Freiherrn von Seckendorff Aberdar,
Neffen und Legationssekretär desselben, aufbewahrt.*)
*) Der Herr Verfasser nennt hier nur leider das historische Werk
nicht, aus welchem er diese Aufzeichnung, sowie die ganze Vision
mit allen ihren näheren Details und Zeugen geschöpft hat. Aus dem
Familien-Archive hat er sie sicher nicht als eine „noch ungedruckte"
und somit aller Welt unbekannt gebliebene Nachricht entnommen,
sonst hätte er dies wohl besonders betont. Gr. 0. Wütig.
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