Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
16. Jahrgang.1889
Seite: 317
(PDF, 166 MB)
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du Prel: Die Mystik im Irrsinn.

317

Im sanskritischen Nigriata, wie im griechischen (iavla
verschmelzen Irrsinn und Inspiration. Man hat also schon
sehr früh bei Irrsinnigen transscendental-psychologische
Fähigkeiten beobachtet, aber indem man das transcendentale
Subjekt übersah, hielt man sie für InspirationsWerkzeuge.
Zu den Vertretern dieser Ansicht gehören auch Piaton und
Hippokraies; denn in der That müssen wir entweder annehmen
, dieselben hätten in den Tag hineingeschwätzt, oder
ihre wiederholten Aeusserungen über den „göttlichen
Wahnsinn" und das „Göttliche in den Krankheiten" müssen
dahin gedeutet werden, dass sie mystische Fähigkeiten
wahrnahmen.

Moderne Reisende berichten aus verschiedenen Ländern,
dass die Narren Verehrung gemessen. Bei den Ottomanen,
in der Berberei, auf Madagaskar werden sie als Heilige
angesehen, deren Worte als Offenbarung gelten. Die Anhänger
des Tao in China suchen die Zukunft aus dem
Munde der Wahnsinnigen zu erfahren, und auch bei den
Wilden Amerikas gemessen die Narren grosse Ehrfurcht.1)
Dieser Erscheinung, die durch alle Zeiten und Länder geht,
muss offenbar eine gemeinschaftliche Ursache zu Grunde
liegen: die Beobachtung der Mystik im Irrsinn. Die mystischen
Fähigkeiten Irrsinniger würden aber nicht Gegenstand der
Verehrung geworden sein, wenn sie nicht als eine Steigerung
des normalen Menschen erkannt worden wären; nur
leitete man diese Steigerung aus einer falschen Quelle
her, aus einer fremden, göttlichen Inspiration,
statt aus dem transcendentalen Subjekt.

Es liegt keine Schwierigkeit in der Annahme, dass wir
in Krankheiten, sogar in schweren, Fähigkeiten erwerben
können, deren wir im Normalzustand unfähig sind, dass sie
uns also psychisch steigern können; denn es handelt sich
dabei nicht um eine Steigerung der normalen Fähigkeiten
durch die Krankheit, sondern nur um das Freiwerden
latenter Anlagen gelegentlich der Krankheit. Eine Krankheit
kann sehr wohl Ursache von krankhaften Symptomen sein,
nebenbei aber noch Bedingung anderer Symptome, die
durchaus nicht krankhaft sind. Der Sonnenuntergang ist
die Ursache der nächtlichen Finsterniss und zugleich Bedingung
einer anderartigen Helligkeit, indem nun Mond und
Sterne für uns optisch zum Leuchten gebracht werden. Das
gilt auch von der Verfinsterung des menschlichen Geistes:
sie betrifft nur das normale, sinnliche Bewusstsein, aber das

*) Lombroso: — „G^nie und Irrsinn." Deutsche Uebersetsung von
A. Courth. 260—262.


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