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348 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 7. Hett. (Juli 1889.)
„Spuks" bemängelte. Allerdings sei auch hier Alles „mit
natürlichen Dingen" zugegangen, und es sei nur streitig,
welche natürlichen, aber noch unentdeckten Kräfte sich dabei
geltend gemacht. Zweifellos gebe es deren, welche bereits
in ihren Wirkungen, aber nicht in ihren Ursachen und in
ihrem Wesen bekannt seien. Dass es geheimnissvolle Mächte
gebe, welche sich nur durch gewisse Medien äussern, sei von
der Wissenschaft anerkannt; Wolter sei nun ein solches
% Medium, wie durch ein wandsfreie Proben festgestellt worden.
Uebrigens habe es schon in den Jahren 1886 und 1887, wo
an eine Urheberschaft Woltems noch gar nicht zu denken
gewesen, in Resau „gespukt", ohne dass der Veranstalter
davon entdeckt worden wäre.*) Man könne auch nicht von
einer ernstlichen Beunruhigung der Einwohner von Resau
oder weiterer Kreise reden, denn der „8puk" habe einen
urkomischen Beigeschmack gehabt und überall nur Heiterkeit
erregt. Sodann sei in formeller Beziehung eine unstatthafte
reformatio in pejus (Verschlimmbesserung) erfolgt, indem
der erste Richter wegen vier Unfugsfallen auf Strafe erkannte,
der zweite Richter aber dieses Strafmaass bestätigte, obwohl
er nur zwei Unfugsfälle feststellte. Als Vertheidiger waren
am Dienstag Rechtsanwalt Sauer und Gerichtsassessor a. D.
Puls, Letzterer als Vertreter des Spiritismus, und der Augeklagte
Wolter erschienen, der als jetziges Factotum des
Zauberkünstlers Max Rössner den Eindruck eines sehr
modernen Jünglings machte. Assessor Puls wurde aber vom
Gerichtshof als Vertheidiger abgelehnt, da bei der Feststellung
des Vorderrichters, dass ein Spuk nicht stattgefunden,
auch eine Abhandlung über das thatsächliche Vorhandensein
von „Spuken" nicht erforderlich erscheine. Rechtsanwalt
Sauer beschränkte sich lediglich auf die juristische Seite
der Frage und rügte namentlich die erwähnte reformatio
in pejus, worauf denn auch das Kammergericht nach
längerer Berathung die Vorentscheidung lediglich aus
letzterem Grunde aufhob und die Sache in die Vorinstanz
zurückwies. Im Uebrigen wurden die Feststellungen
der Vorinstanz als zutreffend erachtet. — Der
Verhandlung wohnte ein zahlreiches Publicum, darunter auch
*) Diese Behauptung dürfte mein« in „Psych. Stud." April-Heft
1889 S. 169 ff. ausgesprochene Ansicht bestätigen, dass der Knabe
Karl Wolter erst aut dem Wege sogenannter „psychischer Ansteckung"
durch ein vor ihm existirendes Medium zum „Psycbiker" geworden
sei. Uebrigens hat auch seine Mutter bereits vorher Manifestationen
des Klopfens erlebt, und soll es in Resau schon vor seiner Anwesenheit
gespukt haben.
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