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378 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 8. Helt. (August 1889.)
Kinder des Hauses. Als man ihn frug, ob er Benott gesehen
habe, antwortete er: — „Nein, seit drei Monaten habe ich
ihn nicht gesehen." In dem Augenblicke, wo er des Com-
mandanten Haus verliess, war er wieder Bertolt geworden
und war sich nicht im Geringsten bewusst, die Rolle eines
Anderen gespielt zu haben. Aus diesen beiden Beispielen
(deren letzteres besonders auf die Schreibmediumität
ein neues Licht zu werfen scheint) ist ersichtlich, dass
unterhalb der Schwelle unseres tageswachen Bewusstseins
Eindrücke schlummern können, die von verschiedenen Ursachen
herrühren, denen also in vielen Fällen nicht auf die
Spur zu kommen ist. Es ist nun zum Mindesten als wahrscheinlich
anzunehmen, dass, wenn bei spiritistischen
Sitzungen eine Mittheilung erfolgt, der unsichtbare Urheber
derselben sich zunächst mit der unbewussten Wesenshälfte
der Cirkelsitzer in geistigen Rapport setzt und von ihr
beeinflussen lässt. Dass in diesem Falle seine Aussprüche
mit dem Bewusstseinsinhalte keines der Anwesenden
in Oonnexion stehen, also von einer gänzlich fremden
Wissensquelle auszugehen scheinen, ist nicht zu verwundern
und in vielen Fällen sogar zu erwarten.
Durch Berücksichtigung einer solchen unbewussten
Suggestion erklärten sich somit sämmtliche Vorgänge des
Spiritismus, und wäre man dabei der traurigen Noth-
wendigkeit überhoben, die Unsterblichkeit einem Charakter
beizulegen, welcher ihr jeden Reiz benimmt.
Heilenbach giebt selbst zu, dass in den meisten Fällen
nur die Thätigkeit noch lebender Menschen angenommen
werden muss; denn er sagt („Geburt und Tod", S. 200): —
,,Betrug und Einbildung haben stets eine Rolle in der Welt
gespielt, ebenso kann zugegeben werden, dass die transcen-
dentale Unterlage der menschlichen Erscheinung in den
meisten Fällen*) und in erster Linie*) herangezogen
werden müsse; aber es wird immer ein Rest bleiben, der
auf Rechnung anderer Wesen zu setzen sein wird." — Mit
diesem „Rest" und diesen „anderen Wesen" (wenn Hellenbach
die Geister der Verstorbenen darunter versteht) wird es sich
schwerlich anders verhalten wie mit dem Gros der Thatsachen;
man möge nur die Modalität der Thätigkeit unserer trans-
scendentalen Unterlage nach allen Richtungen mit wissenschaftlicher
Besonnenheit untersuchen.
Wie oft sind in dieser Welt der Illusion Augenschein
und Realität in Conflict! Copernikus, als er sich zum Gegner
der Ptolemäischen Almagesta, des astronomischen Evan-
*) Von mir spatiouirt. — A. Schmoll.
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