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406 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 9. Heft. (September 1889.)
Was die Glaubwürdigkeit der Mittheilungen anlangt,
so kann ich dem geehrten Leser hierfür keine andere
Garantie bieten, als mein eigenes Ueberzeugtsein von der
Lauterkeit der Quellen, aus welcher sie stammen. Dies in
jedem einzelnen Fall durch Gründe zu erhärten, ist fast
unmöglich; denn Personenkenntniss ist eine Sache, wobei
Umstände in Betracht kommen, die man wohl erfahren,
aber nicht mittheilen kann. — Für die Eedaktion indessen
sind die Namen der Betheiligten, sowie auch verschiedene,
dieselben betreffende Notizen beigefügt. Von mehreren
meiner Gewährsmänner ist mir zwar die öffentliche Nennung
ihrer Namen gestattet worden, wovon ich aber Abstand
genommen habe.
1. Fall. — Eine Steuermannsfrau in Hamburg sah
ihrem Mann, bekleidet mit dem Oelanzug, den „Südwester"
auf dem Kopfe, anscheinend wassertriefend zur Thür
ihrer Stube hereintreten*) Da die Frau wusste, dass
ihr Mann auf See und weit von Hamburg war, so fuhr sie
erschreckt auf, mit dem Ruf: — „0 Johann, wo kommst Du
her?!" — worauf der Mann augenblicklich wieder verschwand
. Natürlich betrachtete die Frau diesen Vorfall
als ein böses Omen. Doch nach einigen Wochen kehrte
der Mann wohlbehalten heim. Um die Zeit aber, als die
Frau ihn, wie erzählt, gesehen, war das Schiff, mit dem er
gefahren, gescheitert, er selber ins Meer gestürzt und in
völlig bewusstlosem Zustande von Bewohnern der nahen
Küste gerettet worden. Sein letzter Gedanke, den er hatte
fassen können, während er mit den Wel'en gekämpft, war
der an seine Frau gewesen. (Gewährsmann ist der Steuermann
/. Z?.**), zur Zeit nicht mehr in Hamburg. Der Fall
ist mir mündlich mitgetheilt und nachträglich schriftlich
berichtigt worden durch den im 3. Falle genannten Herrn
C, welcher der Familie B. befreundet ist.)
2. Fall. — Fiau W.y in Altona wohnhaft, diente vormals
in Stettin, im Hause eines Herrn B. Im Dienste desselben
Herrn befand sich auch ein Schreiber, Namens S. Dieser
Mann erkrankte und starb. Bald nach seinem Tode wollten
mehrere Personen der Dienerschaft gesehen haben, dass
er nächtlich im Hause umgehe und besonders in der
Schreibstube sein Wesen treibe. Als dies Herrn B. zu
Ohren kam, entschloss er sich, „um dem abergläubischen
Gerede ein Ende zu machen", eine Nacht in der Schreibstube
*) Mau vergleiche hierzu unsern Artikel „Vorgesichte und Vorzeichen
" in „Psych. Studien14 März-Heft 1885 S. 127 ff., besonders
S. 128 oben. Die Eed.
**) Die vollen Kamen sind der Redaktion bekannt gegeben worden.
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