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Aksakow: Krit. Bemerkungen über Dr. v. Hartmann's Werk. 437
Wir haben gesehen, dass, wenn wir die Notwendigkeit
einräumen, für gewisse Phänomene eine ausser-me-
diumistische (d. h. ausserhalb des Mediums wirkende)
Ursache zuzugestehen, diese Ursache sich in der ausser«
körperlichen psychischen und physischen Wirkungskraft des
lebenden Menschen befinden könnte. Wenn diese Thatsache
feststeht, so würden sich die Geheimnisse des Spiritismus
„natürlich" ohne „Vermittelung der Geister'' erklären.
Wenn es einen „Geist" giebt, so würde das der „Geistu des
lebenden Menschen sein — und nichts weiter.
Dieser Schluss scheint durch folgende Betrachtung
geschwächt zu werden: —
Wenn wir annehmen, dass es im Menschen zwei
Bewusstseine giebt, ein äusseres, normales, und ein
inneres, welches der normale Mensch nicht kennt, das
aber ganz ebenso einen Willen und eine Intelligenz für sich
besitzt; dass dieses letztere Bewusstsein functionirt oder sich
offenbart nicht nur, wenn das erstere unterdrückt ist, sondern
selbst wenn es in voller Thätigkeit ist. so dass die beiden
Bewusstseine gleichzeitig und unabhängig von einander
funktioniien; wenn wir annehmen, dass die ausserkörperliche
Wirkungskraft des Menschen hauptsächlich mit der
Wirkungskraft des inneren Bewusstseins verknüpft ist, denn
für gewöhnlich ist es nicht den Vermögen des äusseren
Bewusstseins unterworfen, und dass, ebenso wie das innere
Bewusstsein, diese ausserkörperliche Thätigkeit gleichzeitig
mit der normalen Thätigkeit des Körpers functioniren und
auch unabhängig vom Körper handeln kann; wenn wir
annehmen, dass das innere Bewusstsein über Wahrnehmungsvermögen
von Eindrücken der Aussen weit, (ein übersinnliches
Gesicht, Gehör u. s. w4) verfügt, ohne nöthig
zu haben, zu der gewöhnlichen Vermittelung der körperlichen
Sinne seine Zuflucht zu nehmen: — dürfen wir
da nicht aus dem Allen schliessen, dass die IShttur des
Menschen eine gedoppelte ist; dass er in sich zwei von
einander unabhängige bewusste Wesen besitzt: ein durch
die normalen Functionen unseres Körpers bedingtes äusseres
Wesen und ein inneres Wesen, welches nicht
von den Bedingungen des Körpers abhängig ist, — welches
ausserhalb dieses Körpers wollen, handeln und wahrnehmen
kann? Dass folglich dieser Körper nicht die sine qua
n o n - Bedingung seiner Manifestation ist, und dass dem-
gemäss dieses innere Wesen, was seine Essenz oder eigenste
Wesenheit betrifft, vollständig unabhängig vom Körper ist?
Dass, wenn es eine gewisse Abhängigkeit dabei giebt, diese
nur eine zufällige, eine anscheinende ist ? Dass schliesslich
Psychische Studien. September 1889. 29
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