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442 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 9. Heft. (September 1889.)
falls auch photographisch fixirt werden kann; bei den eigentlichen
Hallucinationen dagegen, selbst wenn sie mehrere
Personen befallen haben, fehlt jedenfalls dieses letzte Kenn-
zeichen.-' — Dessoir meint die Photographirbarkeit.
Aber unseres Erachtens sind hierüber noch gar keine
Experimente angestellt worden, so z. B. darüber nicht, ob
die in Delirien und lebhaften Träumen erscheinenden
Gestalten und Visionen nicht vielleicht doch irgendwie auf
eine sensitive photographische Platte einwirken, ähnlich wie
in einem Falle unserer früheren „Kurzen Notizen" eine
ausbrechende Blatternkrankheit durch die photographische
Platte schon vorher indicirt worden sein soll«
In dem Folgenden stimmen wir mit ihm überein: —
„Für das Verständniss unserer Begriffsbestimmung müssen
wir vor allen Dingen festhalten, dass Wahrnehmungen nur
als Thatsachen des Geistes existiren, und dass, sobald ein
seelischer Vorgang den Character einer Empfindung trägt,
er Empfindung ist. Hatten schon Burdach und Baittarger
vor vielen Jahren den theoretischen Nachweis geführt, dass
Phantasiebilder, die hinreichend lebhatt sind, um mit sinnlichen
Wahrnehmungen verwechselt zu werden, geradezu
solche geworden sind, so ist erst in der jüngsten Zeit der
experimentelle Beweis hinzugekommen und zwar durch
Versuche, welche die Herren Binet und Fire mit Hypnotisirten
angestellt haben." — Höchst wichtig ist für uns folgendes
Experiment: — „Giebt man einer im Somnambulismus
befindlichen Person die Eingebung, dass etwa auf einem vor
ihr befindlichen dunklen Tisch sich ein Porträt befindet, so
sieht sie auch nach dem Erwachen ganz deutlich das Bild
mit allen seinen Zügen. Wenn man darauf, ohne ein Wort
zu sagen, ein Prisma vor eins der Augen hält, so sieht das
Subject zu seinem grössten Erstaunen zwei Porträts, von
denen das falsche immer gemäss den physikalischen Gesetzen
lokalisirt wird. Bückt man den Tisch nahe genug, so fällt
die Verdoppelung fort, ein sicheres Anzeichen dafür, dass
es nicht die Erinnerung ist, welche die Wirkung hervorbringt
. Entsprechende Erfolge werden mit Vergrösserungs-
und Verkleinerungsgläsern erzielt, wobei man darauf achten
muss, dass alle Objecte aus dem Gesichtsfelde zu entfernen
sind, deren Grössenänderungen als Werkzeichen dienen
könnten." —
Ein Gegenstück hierzu ist unseres Erachtens offenbar
Professor Zöllners Experiment mit Stade, welcher im Trance-
Zustande durch zwei rechtwinkelig gekreuzte Nichol'sche
Prismen ohne Störung Schrift lesen konnte, was kein anderer
Physiker im normalen Zustande zu thun im Stande ist.
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