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484 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 10. Heft. (October 1889.)
sind; es ist auch der getreue Abdruck der intellectuellen
Aneignungen und Glaubensmeinungen wie Ueberzeugungen,
welche das Resultat eines ganzen, von anderen verschiedenen
Lebens sind. Was die moralische Seite betrifft, so
ist es der Wille, der Charakter, welcher deren Ausdruck
bildet, der ebenfalls seine unterschiedlichen Züge
trägt, und zwar so verschieden von anderen, dass sie sogar
den äusserlichen Arten der Charakter-Manifestationen
einen individuellen Stempel aufprägen, — dass sie sich, so zu
sagen, in gewissen Aeusserungen des Organismus erystalli-
siren; diese Aeusserungen sind: die Sprache, die Schrift,
die Orthographie, das körperliche Aussehen.
Wenn wir daher auf mediumistischem Wege eine Com-
munikation erhalten, welche die unbezweifelbaren Charakterzüge
der Persönlichkeit, die ich soeben geschildert habe,
an sicL trägt, haben wir da nicht das Recht, — nachdem
wir alle möglichen Irrthums-Quellen beseitigt, nachdem wir
den gegebenen Fall der Kritik, welche die drei Erkenntnissquellen
im Auge hat, die Herr v< Hartmann uns angiebt,
und die sieben „Erklärungsprincipien", die er in seinem
„Nachwort zu der Schrift: 'Der Spiritismus'" (s. „Psych.
Stucl" Novbr.-Heft 1885, S. 505 ff.) auseinander gesetzt
hat, unterworfen haben, — nicht das Recht, auf die Möglichkeit
zu schliessen, dass diese Communikation auf die Ursache
zu beziehen sei, die sich selbst kundgiebt?
Sehen wir demnach zu, ob wir diesen Anforderungen
entsprechende Thatsachen vorführen können. Die Identität
der sich manifestirenden Persönlichkeit bezeugende Fälle
von einer mehr oder weniger befriedigenden Art sind durch
die ganze spiritistische Litteratur zerstreut. Jeder Fall
dieser Art muss für sich sprechen, — stehen oder fallen je
nach dem Werthe der Beweise, die er zur Unterstützung seiner
Behauptung darbietet. Die Majorität dieser Thatsachen ist
meist nur überzeugend für die dabei interessirte Person,
welche gewöhnlich allein im Stande ist, die Identität der
sich ihr mittheilenden Persönlichkeit zu beurtheilen; und
darin liegt vom Gesichtspunkte der Kritik aus die schwache
Seite dieser Communikationen, denn die anwesende
Person kann immer als die unbewusste Quelle der Manifestation
vermuthet werden. Damit also eine solche Manifestation
einen überzeugenden objectiven Werth erhalte, ist
es nötfiig, dass sie sich erzeuge entweder in Abwesenheit
der daran interessirten Person, oder dass sie innere
und äussere Züge an sich trage, welche die Gegenwart
dieser Person nicht zu beeinflussen vermag; der Beweis
wird ein absoluter sein, wen n beide Bedingungen
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