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V
Kurze Notizen.
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erfolgreich. Wir besitzen viele Freunde und wenige Feinde,
wenn wir überhaupt hier noch solche haben. —
„Die Spiritualisten im Allgemeinen anlangend, muss
ich es tadeln, dass sie zu sehr nach äusserem Ansehen und
Würdigung streben. Sie möchten gern als Vertreter der
idealen Wahrheit betrachtet sein, und dennoch lieben sie
die Wahrheit zu wenig um ihrer selbst willen," —
In Bezug auf Kramer's harten Kampf mit den Wiesbadener
Aerzten schreibt ihm tröstend der Seher: —
„Jeder beste Baum, der die edelsten Früchte trägt,
kann sicher darauf rechnen, stark heimgesucht und gesteiniget
zu werden. Sie, mein Bruder, müssen von den
eifersüchtigen Doctoren aus der alten Schule geplagt werden.
Aber nur vorwärts mit Ihrem guten und heilbringenden
Werk, und all Ihie Feinde sollen allmählich schwinden. Sie
werden noch viele kommende Jahre hindurch die Kranken
heilen und wahrhafte Freude gemessen." —
Dieser Trost des Propheten ist um so gewichtiger, als
Kramer bereits im 75. Lebensjahre steht. Sein Prozess, der
sowohl in der deutschen als auch der ausländischen Presse
vielen Staub aufgewirbelt hat, seine Privatklage nämlich
wegen Beleidigung gegen den Kreis-Physicus Dr. August
Pfeiffer, gelangt am nächsten 10. October vor der Strafkammer
in Wiesbaden als Berufungsinstanz zur Hauptverhaudlung.
Das Ergebniss wollen wir seiner Zeit berichten.
b) An die finstere Zeit mittelalterlichen Aberglaubens
mahnte die jüngste Sitzung der Strafkammer des Landgerichts
zu Aachen. Der Kurpfuscherei angeklagt, stand
die 53jährige Frau eines Kesselflickers aus Strauch bei
Simmerath im Kreise Montjoie vor Gericht. Aus ihrem
„Zauberbuche" wusste die Frau gegen alle Krankheiten und
Gebrechen Mittel anzugeben und wurde deshalb von den
Bauern ihrer Gegend oft in Anspruch genommen. Man
sollte es kaum für möglich halten, dass die hirnverbrannten
Vorschriften der Wunderdocterin und „Hexe" von den
Landleuten wirklich zur Anwendung gebracht wurden; jedoch
Hess die Verhandlung hierüber nicht den mindesten Zweifel
aufkommen. Zur besseren Wirkung der Kuren betete die
Frau bei den Kranken, gab vor, für dieselben Bittgänge
zu machen, und nahm Beträge an, angeblich um Messen
lesen zu lassen. In Wirklichkeit verwandte sie das Geld
zum eigenen Nutzen. Für ihre Hilfe verlangte die Frau
kein bestimmtes Honorar, sondern nahm mit dem fürlieb,
was man ihr an Geld und Naturalien gab. Die Angst vor
ihrer Zauberkraft war übrigens so gross, dass verschiedene
Leute nicht eher zu Aussagen über die Frau bewogen werden
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