http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1889/0514
506 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 11. Heft. (November 1889.)
Fieber wisse, — und dessen bedurfte es auch nicht mehr,
denn der Bursche war schon gesund, als er zu
ihm kam.
Eine mir wohlbekannte Frau in meiner Nachbarschaft
wurde in Folge eines heftigen Schrecks, verursacht durch
den drohenden Einsturz ihres Geschäftslokals, von einer
langwierigen Krankheit plötzlich befreit.
30. Fall. — Der folgende Heilungsfal! dürfte auf eine
hypnotische Einwirkung zurückzuführen sein. — Ein
sechsjähriger Knabe G. litt an einem Augenübel, welches
sich derart verschlimmerte, dass der Knabe, augenärztlicher
Behandlung ungeachtet, völlig erblindete. Als derselbe
dann 19 Wochen stockblind gewesen, kam eines Tags eine
fremde Frau in die Wohnung der Mutter des Knaben, sah
diesen und rieth, ihn zu einem Herrn W. zu bringen, welchen
Rath die Mutter befolgte. Gegen Abend bei W. angekommen,
nahm dieser Mann den Knaben auf seinen Schooss und
erzählte ihm, dass der Herr Jesus ihn sehend
machen werde; dies wäre ganz bestimmt, der Herr
Jesus habe es selber gesagt. Dann brachte er ihu zu Bett,
— und am andern Morgen lag er mit offenen, sehenden
Augen da.
Um dieselbe Zeit war ich auf W. aufmerksam gemacht
worden, und als ich zu ihm kam, befand sich der Knabe,
der am Tage zuvor sehend geworden, noch bei ihm; seine
Augen waren noch geröthet, und er blinzelte stark, wenn
er gegen das Fenster sah. Von W. und der Mutter des
Knaben, die auch zugegen war, erfuhr ich dann den Sachverhalt
. Zufälligerweise wohnte diese Frau in meiner
Nachbarschaft, doch hatte ich sie bis dahin nicht gekannt,
and so traf ich nun den Knaben auch bald auf der Strasse
an, wo ich gelegentlich mit ihm sprach. Seine Augen waren
vollständig gesund geworden, und die Rothe verlor sich
binnen kurzer Zeit.
Der Mann, welcher die Heilung bewirkt, heisst W?)
Dieser war bis vor Kurzem Vorsteher einer Diakonissenanstalt
, befindet sich aber gegenwärtig (1888) wegen ihm
Schuld gegebener Vergehen inHaft. Die Untersuchung hierüber
ist noch nicht beendet. Für die Wahrheit des mitgetheilten
Falles indessen übernehme ich persönlich jede Bürgschaft.
Zahllos waren die angeblichen Unthaten, welche als von W.
verübt durch die Zeitungen „ans Licht" gebracht wurden.
*) Es ist Derselbe, in dessen Anstalt die merkwürdige Geschichte
mit dem taubstummen Bettler passirte (vergl. „Psych. Stud." August-
Heft 1886, S. 352 ff.) - Die Ked.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1889/0514