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512 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 11. Heft. (November 1889.)
gelegentlich aussprach, dass manches Symptom auf jene
ungeregelte Mediumität hinweise, wovon der Irrsinn
nur die Bedingung, aber nicht die Ursache sei. Freilich ist
unbewusste Mediumität, der die Erkenntniss des eigenen
Zustandes fehlt, und die sich nicht auszuleben vermag, weil
sie nicht in regelrechte Bahnen gelenkt wird, sehr geeignet,
die vorhandene Disposition zum Irrsinn zu steigern. Ich
könnte das durch das Beispiel eines Mannes begründen, der,
seither verstorben, mir persönlich bekannt war. So lange er
seine mediumistischen Anlagen selber nicht erkannte, gemahnte
er seinem eigenen Geständnisse nach in manchen Symptomen
an den verstorbenen König; als er später mit dem Spiritismus
bekannt wurde und seine Anlagen sich ausleben Hess, wurde
er aus einem innerlich zerfallenen Menschen ein glücklicher
und, von der Mediumität abgesehen, ganz normaler Mensch,
Beiläufig möchte ich hier noch eine persönliche Bemerkung
bezüglich der baierischen Königskatastrophe einschalten
. Damals durchlief verschiedene Blätter die Nachricht
von einer spiritistischen fcitzung, bei der ich anwesend gewesen
sei, und in welcher die Königskatastrophe zwei Stunden
vor ihrem Eintritt vorher verkündigt wurde. Meine Anwesenheit
bei dieser Sitzung betreffend, so ist dieselbe einfach
eine Unwahrheit, über die ich mich übrigens lediglich wegen
der offenbaren Absicht entrüste, mich in Misscredit zu
bringen. Der Journalist, der diese Absicht verfolgte, hätte
doch bedenken sollen, dass es ganz überflüssig ist, mich als
Spiritisten zu denunciren, weil ich das selber viel gründlicher
besorge, als es von einem Journalisten geschehen
könnte, nämlich nicht in Schmierblättern, sondern in angesehenen
Zeitschriften. Die Thatsache selbst der Sitzung
betreffend, so hat sie allerdings den angegebenen Verlauf
genommen; wie mir die Theilnehmer versicherten, wurde in
der That eine Katastrophe angekündigt, die in zwei Stunden
eintreffen würde, und die in der That eintraf. Endlich ist
es eine Thatsache, dass schon zwei Monate vor der Katastrophe
durch Vermittelung des gleichen mir persönlich
bekannten Mediums der nähere Verlauf in zwei lapidaren
Worten angekündigt wurde, die auch den Untergang
einer zweitenPerson andeuteten. Aber damals klaog
eine solche Botschaft viel zu unwahrscheinlich, als dass
darauf Gewicht gelegt worden wäre; man hielt sie vielmehr
für eine jener Foppereien, die ja bei spiritistischen Sitzungen
nicht selten sind.
Die Mediumität, an sich schon selten, wird eben
darum auch im Irrsinn selten sein; Somnambulismus
dagegen tritt im Irrsinn viel häufiger auf. Schon der alte
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