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538 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 11. Heft. (November 1889.)
Gott dargebracht. Das Rinderverschen vom 'Klötzlein'
coursirt ganz für sich, ohne irgend einen Sinn oder sagenhafte
Beziehung, in der Leute Mund. Uebrigens hören
Sie folgenden närrischen casum. Mir sagte Uhland neulich:
in einer alten geschriebenen Chronik habe er etwas gefunden
, was ihn nothwendig auf die Vermuthung habe führen
müssen, ich hätte in Beziehung auf das unsichtbar machende
Mittel eine verschollene Blaubeurer Sage gekannt und für
meinen Zweck modificirt. Zwei Grafen von Helfenstein,
Brüder, standen einstmals (so sagt der Chronist) am Rande
der Quelle; der Eine sah einen seltsamen Stein vor sich
liegen, hob ihn vom Boden auf und verschwand vor den
Augen des Andern urplötzlich. Sie reden aber mit einander
, und der zweite Bruder nimmt den Stein sofort auch
in die Hand; dieselbe Wirkung, sie kommen Beide überein
, das Zauberding in den Blautopf zu werfen. — Ich
war nicht wenig über diess Zusammentreffen meines Scherzes
mit dieser Erzählung erstaunt, da auch in den hintersten
Kammern meines Gehirns nicht die leiseste Spur empfangener
Ueberlieferung zu finden ist. Vernünftigerweise kann ich
es nur freilich zuletzt nicht anders als auf solchem Weg
erklären, oder wie? — Natürlich liegt in Absicht auf ein
Product dieser Art nichts dran, wie viel oder wenig an
dem Stoffe vorlag, un 1 ich habe es bis jetzt deshalb auch
nicht der Mühe [so] gehalten, gewisse irrige Annahmen
meiner Kritiker bei meinen anderen Sachen in dieser Hinsicht
zu berichtigen. So setzen sie alle, auch Heyse, wie
es scheint, voraus, die Bodensee-Idylle beruhe auf Geschichtchen
, da doch die gedoppelte Fabel, sowohl von der Kapelle
und der Glocke, als von Gertrud und ihrer Bestrafung, ganz
auf meine Rechnung kommt." . . . „Carl Meyer, der Dichter,
war gestern bei mir. ... Er war in Begriff, nach Weins-
herg zu gehen, dem guten Kerner zum Trost, der eben seine
Frau verloren hat. Womöglich bringt er mir von diesem
auch ein Erinnerungsblatt für Sie zurück."*) . . .
Auf diese interessante Mittheilung schreibt Storni
aus Potsdam im März 1834 an Mörikei — »Von
den (Ihren) Gedichten ist 'der Thurmhahn' über alle
Maassen schön; ich habe es immer aufs Neue vorgelesen,
und alle Poeten und Juristen — ich empfinde hier den
Gegensatz — haben es mit gleicher Theilnahme gehört.
Diese warme unmittelbare Leibhaftigkeit ist für mich
*) üeber die Beziehungen Morike's und Storm's zu Justinus
Körner vergl man „Psych Stud." April-Heft 1877 S. 185 sub c)\ Mai-
Heft 1877 S. 230 ff. und Juni-Heft 1876 S. 280 sub c). ü. Sekr. d. R.
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