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Wittig: Theodor Storm und Mörike über Spiritualismus. 541
Gedichte heisst — liegt Arbeit, Arbeit, Arbeit! Und sie
soll, so weit meine Kraft reicht, gethan werden."--Und
was antwortet der geistgläubige Mörike dem zweifelnden
Slorml In feinsinnigster Weise, d. d. Stuttgart, den
10. Juni 1865, Folgendes. Nachdem er seines Freundes
herben Verlust mit dumpfem Schreck und verworrenem
Schmerz gleich aus den ersten Zeilen errathen und schmerzlich
beklagt, sagt er: —
„In Ihrem letzten Büchlein ('Auf der Universität')
kommt die herrliche Beschreibung eines in Mittags-Einsamkeit
von Bienen umsummten blühenden Bäumchens. Diese
Schilderung (mit der ich schon manchem Freund einen
vorläufigen Begriff der süssesten Reize Sform'seher Malerei
gegeben habe) trat mir in diesen Tagen ungesucht auf
einmal vor die Seele, und ich wüsste kein schöneres Bild
für den stillen Verkehr Ihrer Gedanken mit der geliebten
Frau im Nachgenuss alles dessen, was Sie an ihr hatten.
Erhalten Sie sich Ihren männlichen Muth für das Leben,
für Ihre ruhmvolle Thätigkeit nach mehr als Einer Seite."
— („Deutsche Rundschau" Nr. 8 v. 15. Januar 1889
S. 114—115.)
Noch eines berichtet Storm daselbst in seinem Briefe
an Mörike aus Potsdam, November 1854 S. 104—105: —
Er führt seinen Freund im Geiste in seine Heimath, wo
sein Grossvater Müller (Wasser- und Windmüller) in dem
fünf Meilen südlich von Husum gelegenen Dörfchen Wester-
mühlen war. Hier wohnte 1849 sein Vetter Hans auf dem
sogenannten Vordamm: — „Mit diesem meinem, einige
Jahre älteren Vetter Jürgen Storm (dem Sohn des Vorigen)
stand ich vor einigen Jahren, über Knabenerinnerungen und
über meine Besuche in früheren Zeiten plaudernd, zwischen
den wild hinauswachsenden Büschen des alten Immenhofes.
Wir entsannen uns zusammen aller möglichen kleinen Geschichten
, des Storchs, den ich, von ihm verleitet, ruchloser
Weise vom Baum geschossen, worüber mein Knabenherz
mir noch lange die bittersten Vorwürfe gemacht, der Dohnen
in seinem Garten, in die er mir alle Viertelstunden dieselben
Krametsvögel hing, bis ich am Ende den gefangenen Vorrath
inspiciren wollte,--nur in Einem blieb ich allein, und
es ist mir bis auf den heutigen Tag ein Räthsel geblieben.
Ich entsinne mich nämlich, — die Zeit und Gelegenheit
weiss ich auch nicht einmal annähernd anzugeben, — mit
dem Vetter Jürgen aus der kleinen Seitenthür des Hauses
grade in die Wiesen über kleine Gräben und durch Bruchland
und Buschwerk in einen Wald hinabgegangen zusein;
auf dem Wege schnitt er mir Pfeifen aus Erlenholz; was
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