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Kurze Notizen.
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was in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Und darin
liegt eben für mich das Rathselhafte dieser psychischen
Erfahrung. — Zur Note S. 238 des Mai-Heftes über die lebhaften
Phantasievorstellurgen des Knaben Moritz Scharf im
berüchtigten Ti$za-Eszlaer-Pro7ess kann ich noch auf eine
Seibsterfahrung unseres nun 70jährigen berühmten Dichters
und Romanschriftstellers Gottfried Keller in Zürich verweisen,
welche er aus seinen Knabenjahreu in seinem Roman: —
„Der grüne Heinrich" — mittheilt, wonach er in seiner
lebhaften Phantasie eine Geschichte von Unthaten erfindet,
deren er andere Knaben seines Alters beschuldigt, so dass
diese wirklich dafür bestraft wurden.
Kurze Notizen.
a) In der medizinischen Klinik zu Erlangen befindet
sich seit längerer Zeit ein Kranker, der des Nachts nur
dann schläft, wenn er sein Schlafmittel bekommt. Es handelt
sich dabei nur um eine „Autosuggestion", eine Einbildung;
denn das Mittel, welches der Kranke erhält, ist an sich ein
ganz gleichgiltiges, indem es in nichts Anderem besteht, als
in zwei Gramm „Saccharum album" — weissen Zuckers,
welchen der Patient für ein wirksames Schlafmittel hält, in
Folge welcher Annahme er schläft. (2. Beil zum „Leipz.
Tagebl." v. 6. October 1889.)
/>) Zum Muttermord in der Kreuzstrasse zu
Leipzig. — In Bezug auf den Muttermord in der Kreuzstrasse
ist dem Schreiber Dieses eine Vermuthung aufgetaucht
, die, wenn sie vielleicht auch für Manche wenig
Wahrscheinlichkeit für sich hat, doch angesichts einer so
räthselhaften Blutthat nicht unerwähnt bleiben mag. Man
erinnere sich der vielfachen Experimente mit Hypnotisirten.
Ist es da nicht möglich, dass der Knabe in Berührung mit
Jemand gekommen ist, der ein derartiges Experiment mit
ihm hat vornehmen wollen, ihn zu diesem Zweck in Hypnose
versetzt und ihm in dieser anbefohlen hat, seine Mutter zu
einer bestimmten Stunde zu tödten? Vielleicht hat der
Hypnotiseur selbst nicht geglaubt, dass sein Gebot ausgeführt
werden würde, um nun zu spät zu erkennen, welche
fürchterlichen Folgen sein Experiment nach sich gezogen.
Es ist dies meine Vermuthung, aber, sollte sie sich als
richtig erweisen, würde sie die unbegreifliche Plötzlichkeit
erklären, mit der dem jungen Mö.der, seiner eigenen Aussage
nach, der Gedanke gekommen ist, seine schlafende
Mutter zu tödten. Sie würde auch die ungewöhnliche Kraft
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