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Goos: Uebersinnliche Erscheinungen. 551
da besang ihn, Wodan,
wie er woi verstand,
so die Beinverrenkung,
wie die Blutverrenkung,
wie die Gliederverrenkung,
Bein zu Beine,
Blut zu Blute,
Glied zu Gliedern,
als ob sie geleimt wären." —
„Zauberspruch über die Fesseln eines
Kriegsgefangene n." (Merseburger Pergainenthandsehrift
aus dem 10. Jahrhundert): —
„Eiris säzun idisi,
säzun hera duoder:
sunnä hapt heptidun,
sumä heri lezidun,
sumä elübödun
umbi eunionuidi:
insprine haptbandun,
inuar uigandun!"
Dies bedeutet auf neu Hochdeutsch: —
„Vormals setzten sich Weiber,
setzten sich her und weg:
die einen Fesseln fesselten,
die andern das Heer authielten,
die andern suchten herum
nach Kniestricken:
entspring den Fesselbanden,
entgeh den Feinden !" —
Diese Zaubersprüche entstammen einem alten Lehrbuche
von Wackernagel.
Weinhold „Altnordisches Leben" (Berlin 1856)
findet in dem altgermanischen, resp. altnordischen
Zauberwesen, in der geistigen Gewalt des
Spruches, des Wortes, „ein seltsames Zeugniss für die
auch heidnisch germanische Ansicht, dass im Anfang das
Wort gewesen und die Welt geschaffen habe." Von diesem
Worte besassen die alten Zauberer „einen trüben Wiederhall,
mit welchem sie zwar nicht schaffen, aber Geschaffenes
umbilden konnten/' Auch Kunde von fernen und
zukünftigen Dingen erlangte man durch die alte Kunst.
Doch unterschied man diese sehr wohl „von der angeborenen
göttlichen Gabe, voraussichtig und hellsehend zu sein." Die
letztere „sprach aus dem eigenen Innern, während der
zauberische Weissager Spruch und Loos brauchte."
Zu jenen Zeiten war es auch üblich, Kinder zu Zauberern
oder Zauberinnen in die Lehre zu geben* „Norweger und
Schweden schickten sie vorzüglich zu den Finnen, die in einem
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