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562 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 12. Heft. (December 1889.)
Der Verdacht der Selbsttäuschung, der Voreingenommenheit
für das Wunderbare, des Mangels an Schärfe der
Beobachtung, oder gar der gefälligen Ausschmückung könnte
zwar, selbst gegenüber Männern wie Zöllner, mehr oder
weniger gerechtfertigt erscheinen, so lange es sich um
complicirte, schwer festzustellende, schwer zu controllirende
Vorgänge handelt, wie dies z. B. bei der Gedankenübertragung
, bei der Telepathie, bei der magnetischen Beeinflussung
auf grosse Entfernungen und bei der Mehrzahl der
übersinnlichen Erscheinungen der Fall ist. Hier lagen aber
gerade die einfachsten Thatsachen vor, die sich denken
lassen: — ein Geldstück wurde von Zöllner selbst in eine
Schachtel gelegt, letztere aufs Sorgfältigste verschlossen und
auf den Tisch gestellt. Als man einige Augenblicke später
die Schachtel schüttelte, schien sie leer, und sie war es in
der That; denn als man sie öffnete, war das Geldstück
daraas verschwunden, und Zöllner fand es wieder — auf seiner
Schief ei tafel! Ebenso ungekün^te i ve I et <his Knotenexperiment
. Diese Einfachheit Y r nnue mt »her (he
Redlichkeit der Berichterstattung r u ^ ^ t ) u öe-
wichtiges Argument nicht allem ^e^eu den Einwurf der
Selbsttäuschung, sondern auch der Täuschung durch Andere.
Der durchtriebenste Taschenspieler, zumal wenn er sich ganz
passiv verhält, wie dies bei Zöllners Medium der Fall war,
wird mir niemals einen Gegenstand aus einer Schachtel,
welche ich nicht aus den Augen verliere, heraus- und auf
eine Tafel unteir meinen Händen eskamotiren; ebensowenig
wird er Schlingen und Knoten in einen vor mir liegenden
ringförmig geschlossenen Strick zaubern. „Aber", wendet
der Skeptiker ein, „wie kommt es, dass unter allen Gelehrten
der Welt bloss Zöllner, Crookes und einige Andere Phänomene
dieser seltsamen Art wahrgenommen haben?" — Einfach
deshalb, weil diese Gelehrten sich nicht scheuten, die verblüffenden
Vorgänge des Mediumismus einer wissenschaftlichen
Untersuchung zu würdigen; weil sie Medien wie Stade
und Home zu ihrer Disposition hatten, und weil eben solche
hochgradig veranlagte Medien grosseSeltenheiten sind.
Da blieben dem Zweifler also nur noch die Fragen der
Besonnenheit und der Redlichkeit, und diese wird er mit
Ungestüm ergreifen, um zu behaupten, Zöllner habe entweder
die bewussten Experimente im Zustande geistiger Ueber-
reizung und Unzurechnungsfähigkeit gemacht, — mit anderen
Worten, den Kopf dabei verloren, — oder er habe bei
gesundem Verstände die Wahrheit geflissentlich entstellt
und nur erlogene Dinge berichtet. Gegen eine derartige
Anklage protestirt laut Zöllners ganzes Leben und Wirken,
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