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578 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 12. Heft. (December 1889.)
zu merken bitte, ihre erste und einzige Begegnung im
wahren Sinne des Wortes war. Fräulein Sophie erinnert
sieh nur des günstigen Eindrucks, den die frühreife Ent-
wickelung und der ernste Geschmack ihrer jungen Freundin
auf sie machten; Schura ihrerseits, wie man viel später,
erst nach der Episode vom 9. März erfuhr, hatte für Fräulein
Sophie die lebhafteste Sympathie empfunden und bewahrt,
wahrscheinlich erweckt durch die liebevolle Theilnahme,
welche diese Letztere ihr bezeigt hatte.
Diese beiden Fräulein, welche dieselbe höhere Töchterschule
besuchten, sahen sich während des Winters manchmal
von fern im Erholungssaale; aber bald wurde Schura in ein
anderes Institut versetzt, so dass selbst die flüchtigen
Begegnungen der beiden jungen Fräulein aufhören mussten*
Zwei Jahre später, während de3 Sommers 1882, begegneten
sie sich wieder einmal in einem Landhause, aber ohne ein
Wort mit einander zu wechseln.
Und schliesslich sahen sie sich zwei Jahre nachher im
Monat October 1884 noch einmal von fern in einer Theaterloge
, — dies fand drei Monate vor dem Tode Schürdts statt.
Wir sehen also, dass alle Beziehungen zwischen diesen
zwei Fräulein sich, in Wahrheit zu sprechen, nur auf eine
einzige Zusammenkunft beschränken von vielleicht einer bis
zwei Stunden Dauer, im verhältnissmässigen Alter von
12 bis 13 Jahren und vier Jahre vor dem Tode Schürdts.
Was Frau v. Wiesler betrifft, so hat sie nicht einmal den
Vortheil einer solchen Zusammenkunft mit Schura gehabt;
denn während die jungen Fräulein sich in das Zimmer der
Letzteren zurückgezogen hatten, war sie mit deren Eltern
zusammen geblieben, und ausser dieser Gelegenheit hat sie
dieselbe weder öfter, noch anderweit gesehen, als ihre
Tochter. Man ersieht hieraus, dass die Beziehungen dieser
Damen mit Schura sehr entfernte waren, und dass sie in
Folge dessen nichts von deren politischen Geheimnissen
wissen konnten.
Meiner Ansicht nach vereinigt der soeben erzählte Fall
alle notwendigen Bedingungen in sich, um einen Vorgang
daraus zu gestalten, bei dem alle Hypothesen ausser der
spiritistischen versagen. Prüfen wir ihn einmal näher vom
Gesichtspunkte der natürlichen Hypothesen und der von
Herrn von Bartmann angedeuteten Methode. Dieser Fall
bietet der Kritik in Folge seiner Einfachheit ausnahmsweise
günstige Seiten dar. Wir haben das Spiel unbewusster
Kräfte bei nur drei Factoren zu prüfen, deren hauptsächlichster
(Nikolaus) — das specielle Object der Communi-
kation — abwesend ist, nicht ein einziges Mal den
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