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588 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 12. Heft. (Deeember 1889.)
. . . ein mehr oder minder unvollständiges, unbestimmtes
und ungenaues, aber dort nicht ganz unähnliches Bild dieser
Persönlichkeit, ihres Characters, ihrer augenblicklichen
Gefühle und Stimmungen, und unter Umständen auch ihrer
augenblicklichen Vorstellungen." („Der Spiritismus"
S. 66-67.)
Demnach setzt der Brief, welchen Mr. Mansfield in seiner
Hand hält, nur in Rapport mit den Gefühlen und Vorstellungen
, welche der Verfasser des Briefes in dem
Augenblicke besitzt, in welchem Mr. 31. den
Brief in seiner Hand hält, und welche keine Beziehung
zu dem Inhalt des Briefes haben, der schon mehrere
Tage vorher geschrieben worden ist. Wie also wird es das
somnambule Bewusstsein anstellen, um sich im Labyrinthe
des somnambulen Bewusstseins des Briefverfassers
zu orientiren, um die nothwendigen Informationen
daraus zu gewinnen? Wie wird es in der Masse der Vorstellungen
, die es dort findet, und welche sich auf die
Lebenden und Verstorbenen beziehen, die der Verfasser des
Briefes gekannt bat und noch kennt, diejenigen auswählen,
welche sich gerade auf den Verstorbenen beziehen, an den
der Brief gerichtet ist? Er hat keinen Leitfaden. Diese
Beziehungen existiren ja für ihn nicht.
Wenn wir auch mit Dr. du Prei annehmen, dass „das
Gedankenlesen sich nicht bloss auf solche Vorstellungen,
welche actuell im somnambulen Bewusstsein gegenwärtig
sind, sondern auch auf den latenten Gedächtnissinhalt
erstrecke" (,,Der Spiritismus" S. 73), so antwortet Herr
v. Hartmann selbst darauf, dass man es mit der Schwierigkeit
zu thun habe, — „wie aus dem gleichzeitigen Durcheinander
aller wichtigen und unwichtigen Erinnerungen im somnambulen
Bewusstsein die wichtigeren in geordneter Reihenfolge
herausgelesen werden sollen?" („Der Spiritismus" S. 74.)
Und dieses bezieht sich, wie wir sehen, nur auf die Lebens-
eriimerungen des Lebenden; die Schwierigkeit, unter diesen
Erinnerungen diejenigen auszuwählen, welche sich auf den
Verstorbenen beziehen, ist dieselbe.
Es bleibt also nur das letzte Auskunftsmittel übrig —
das Hellsehen., und nun sieht sich Herr v. Hartmann zu
der Erklärung gezwungen: — „Da ich dem somnambulen
Bewusstsein ebenso gut wie dem wachen nur einzelne
actuelle Vorstellungen und daneben ein latentes Gedächtnissmaterial
in den molekularen Prädispositionen der zu Grunde
liegenden Hirntheile zuschreibe, so müsste ich eine hellsehende
Uebertragung der molekularen Hirnprädispositionen
supponiren" (S. 74). Man darf nicht vergessen, dass diese
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