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16 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1890.)
37. Fall. — In Begleitung zweier Damen, Frau E. und
Tochter, von einer spiritistischen Sitzung heimkehrend, erzählte
mir die Erstere von einem Vorgesicht, welches
einem in ihrer Familie stattgehabten Sterbefall voraufgegangen
war. Die Dame sah nämlich, als sie eben einen
Ausgang gemacht und wieder nach Hause kam, auf dem
Platze vor ihrer Thür einen Leichenkondukt, der, indem
sie näher ging, verschwand. Bald nach diesem Begebniss
starb der bei der Dame wohnende Vater derselben.
38. Fall. — Nachstehendes ist nur eine fragmentarische
eigene Reminiszenz. Als ich ein Knabe von etwa elf Jahren
war, starb ein Bruder meines Oheims. Der Letztere hatte
in der Sterbenacht bei seinem Bruder gewacht. Ein paar
Tage nachdem sagte mir mein Vetter, ein mir gleichaiteriger
Koabe: — „Es ist ein Engel da gewesen bei Onkel
Wilhelm, als er gestorben ist; mein Vater hat es gesagt,
er hat den Engel gesehen."
39. Fall. — Ueber eine Krankenwärterin, Frau C, die
ich nicht persönlich habe sprechen können, wird mir von
deren Neffen E. berichtet, dass dieselbe ausser häufigen
Vorerscheinungen auch oftmals Gestalten Verstorbener
sehe. — Ein sehr seltsamer Vorfall, wovon
sie ihm Mittheilung gemacht, war folgender: — Sie sass am
Bette einer schwer kranken Frau, welche heftige Schmerzen
litt. Da erhob sich die Kranke in horizontaler Lage aus
dem Bett und schwebte bis zur Zimmerdecke empor, sank
dann langsam wieder herunter und war todt.
40. Fall. — Frau ZT., eine Wittwe aus Hannover, zur
Zeit in Hamburg, theilt mir mit, dass ihre Schwester mit
dem zweiten Gesicht begabt sei. Anfänglich hätte die
Mutter sich bemüht, dem Mädchen die Gesichte, wovon es
gesprochen, als Unsinn auszureden, es wäre aber nichts
dagegen zu machen gewesen. In der Wohnung der Frau
R\ habe die Schwester einen Sarg gesehen, und drei Wochen
später wäre der Mann der Ersteren gestorben. Dieser war,
wie sie mir sagte, Spiritualist gewesen und hatte eine Menge
Aufzeichnungen, (Jebersinnliches betreffend, hinterlassen,
die aber von einem orthodoxen Verwandten, dem sie dieselben
geliehen, vernichtet worden wären. Am Abend des Tages,
als ihr Mann gestorben, hätte sie sich zu ihrer Mutter, die
in einem anderen Stadttheil gewohnt, begeben und hier
übernachtet. In dieser Nacht hätte dann die Schwester,
welche mit ihr in derselben Stube geschlafen, die Thür
aufgehen und den verstorbenen K. herein treten sehen. Da
die Schwester bei ihren Gesichten stets völlig ruhig bleibe
und keine Anwandlungen von Furcht empfinde, so habe sie
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