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Kurze Notizen.
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(Leipzig, 0. Mutze, 1868) kennt, erinnert sich darin der
rathenden Stimme, die ihn durch sein Leben begleitet
hat. Schon Sokrates hatte seinen warnenden Dämon.
Eine ähnliche Stimme hat Referent der folgenden
Mittheilung im Jahre 1871 zu St. Petersburg vernommen,
worüber er seiner Zeit in den „Psych. Stud." berichtet hat.
Tn der in „Das Neue Blatt" Nr. 9, 1890 erscheinenden
Portsetzung: — „Fünfzig Jahre unter den Indianern.
Bilder und Sconen aus dem fernen Westen Amerikas** —
lesen wir von Nelson, dem Helden der Geschichte, welcher
seine Erlebnisse unter Indianern und Ansiedlern des
Westens selbst beschrieben hat, folgende Episode: — „Auf
dem Eückwege nach Port Macpherson hörte unser Held
plötzlich eine Stimme neben sich rufen: — 'Nelson, Ihr
werdetgeschossenP — Sich umsehend, konnte er keiuen
Feind erblicken, erschien aber so erregt, dass auch der
General Bradley (dem er Botschafter- und andere Dienste
im Kriege mit den Cheyennes und Sioux leistete^ ihn darum
fragte. Auf seine Mittheilung hin nahm der General
lachend seine Stelle im Zuge ein, und Alle gelangten
wirklich ohne Zwischenfall nach dem Port. Eines Abends
begab sich dann Nelson mit mehreren Soldaten nach der
Station Nr. 280, Siding, an der im Bau begriffenen Union-
Pacific-Bahn. In der dortigen Schänke trank und plauderte
er noch mit daselbst befindlichen Bahnarbeitern und suchte
endlich sehr ermüdet das Bett auf. Da wurde er in der
Nacht durch einen seiner Leute geweckt, mit der Meldung,
dass die Arbeiter ihn ganz ohne Ursache mit dem Bevolver
bedroht hätten. Nelson begab sich wieder hinunter und
sagte zu dem ihm als Attentäter bezeichneten Arbeiter:
— 'Ihr seid ein Schurke, diesen Burschen zu bedrohen.
Gelüstet's euch nach einem Kampfe, so versucht's mit mirV
— Als Antwort schoss ihm sein Gegner eine Kugel durch
den Oberschenkel, während seinen Arm, als er ebenfalls
feuern wollte, Andere festhielten. — Die warnende Stimme
hatte also doch wahr gesprochen. Drei Monate lang danach
ans Bett gefesselt, hatte er die Preude, von seiner Squaw,
welche herbeigeeilt war, gepflegt zu werden, und auf Zureden
des Geistlichen in Port Macpherson, John Robinson, liess er
sich mit Jenny jetzt wirklich nach christlichem Ritus trauen
und nannte jene später niemals mehr seine 'Squaw', sondern,
wie es der Priester verlangte, seine 'Frau'." — Der ganze
Charakter dieses Mannes war nicht danach geartet, geisterseherischen
Träumereien nachzuhängen, weil das aufregende
Leben im Westen die stete gleichmässige Anspannung und
Uebung aller Sinne in Anspruch nimmt.
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