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102 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1890.)
Miether noch damit beschäftigt waren, der Ursache dieser
Störung nachzuspüren, klirrten die Fensterscheiben mehrerer
nach dem Hofe hinaus belegenen Wohnungen, und den
Personen auf dem Hofe flogen Kartoffeln und faustgrosse
Stein kohlenstüeke wie Hagelgeschosse an die Köpfe. Jetzt
eilten aus allen Etagen die Hausbewohner zusammen,
Schutzmänner wurden von der benachbarten Polizei-Revier-
Wache herbeigeholt und in deren Gegenwart die Wurfgeschosse
vom Hofe aufgesucht, Sie bestanden aus einer
grossen Anzahl Kartoffeln und Steinkohlenstücken, die man
zusammenfegte und in einem Winkel des Hofes vorläufig
aufbewahrte. Die Aufregung im Hause war eine allgemeine,
da man de.» Urheber des sonderbaren Bombardements nicht
ermitteln konnte. So verging die erste Nacht. Am andern
Morgen liess der Hauswirth auf eigene Kosten seinen
Miethern die zertrümmerten Fensterscheiben durch neue
ersetzen, und die Wurfgeschosse wurden nach dem Keller
hinuntergeschafft. Dann kam der zweite Abend heran, und
wieder begann gegeu 8 Uhr Abends ein neues Bombardement.
Im Nu waren einige herzhafte Männer und der Hauswirth
zur Stelle, aber auch diesmal blieb der Thäter des gröblichen
Unfugs unermittelt; die Zerstörung, welche die wiederum aus
Kartoffeln und Steinkohlen bestehenden Wurfgeschosse angerichtet
hatten, war eine noch grössere, als am Tage vorher.
Abermals musste der Glaser die zertrümmerten Scheiben
durch neue ersetzen, und zu dem Vorrath des ersten wurden
die Geschosse des zweiten Abends gelegt. Die Polizei war
ausser Stande, den „Spuk" zu bannen, und so entschloss
man sich denn, verschiedene Posten im Hause aufzustellen,
die auf alle Vorgänge in den Abendstunden genau zu achten
hatten, was aber wiederum nichts Leichtes war. Die Höfe
der Häuser in der Elsasserstrasse stossen nämlich hier mit
denen der Häuser Linienstra^se 109 und 110 zusammen,
ausserdem ist das Nachbarhaus Nr. 66 der Elsaeserstrasse
nur durch eine Mauer vou dem in Rede stehenden Nr. 6?
getrennt. Bei einbrechender Dunkelheit, zu welcher Zeit
der „Spuk44 bisher bein Wesen getrieben hatte, bezogen die
Aufpasser ihre Posten. Auf jedes Aufflackern und Erlöschen
von Licht an den Penstern wurde genau geachtet, und schon
glaubte man, dass der dritte Abend ohne Bombardement
vorüber gehen würde, als bald nach 9 Uhr die neue Kanonade
mit denselben Wurfgeschossen begann. Eins der Wurfgeschosse
, eine mächtige Kartoffel, war sogar einem bereits
im Bette liegenden Handwerker durch die zertrümmerte
Fensterscheibe auf das Bett geflogen, aber wiederum wurde
von den Thatern absolut nichts ermittelt. Nach der
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