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Eriksen: Unser Geistesleben während des Schlafes etc. 109
im Menschen ein Etwas ist, das denken und arbeiten kann,
ohne die körperlichen Organe zu benutzen. Dieses Vergessen
der vom Geiste im freien Zustande verrichteten
Arbeit macht sich aus demselben Grunde bei hypnotischen
Zuständen höheren Grades, bei Somnambulen und Trance-
Medien, geltend. Es ist also möglich, dass die Träume,
deren wir uns nicht erinnern, gerade das Interessanteste und
Werthvollste sind, weil sie uns über das Leben des Geistes
im freien Zustande aufklären könnten, — also auch über
sein Leben nach dem Tode.
Wenn wir uns unserer Träume erinnern können, so
muss das, im Gegensatz zum Niehterinnern derselben, daher
rühren, dass während derselben unser Gehirn mehr oder
weniger thätig gewesen ist; und der Grund dafür, dass
diese Träume so verworren und sinnlos sind, liegt eben
darin, dass das Gehirn den Geist in seiner Wirksamkeit
beunruhigt hat. Der Geist hat sich nämlich noch nicht
vollständig vom Körper losgemacht; das Gehirn empfängt
durch die Nerven Eindrücke von den unbewussten Functionen
des Körpers oder von äusseren Geschehnissen, welche auf
unsere Sinne einwirken, und durch diese Eindrücke wird
der Geist beeinflusst. Hier kommen wir zu einem eigentümlichen
Umstände, nämlich dem, dass der Geist, wenn
er sich noch nicht völlig vom Körper gelöst hat und das
Gehirn noch auf ihn einwirkt, eine ausserordentliche
Neigung besitzt, alle Eindrücke, die das Gehirn empfängt,
zu dramatisiren, d. h. er bildet aus diesen Eindrücken, in
derselben Ordnung, wie er sie empfangt, Begebenheiten,
die er zu erleben glaubt. Ich will ein Beispiel anführen: —
Während Jemand schlief, spritzten Andere ihm einige
Wassertropfen ins Gesicht. Der Betreffende, der oft im
Schlaf zu sprechen pflegte, rief sofort: — „Ach, hole mir
eine Droschke, es regnet ja entsetzlich!44 —
Hier hat das Gehirn durch die Nerven einen bestimmten
Eindruck bekommen, und da der Geist sich noch nicht
vollständig losgerissen hatte, so hat auch er denselben
Eindruck empfangen. Da die Vernunft eine wesentliche
Eigenschaft des Geistes ist, und da diese stets bestrebt
ist, Alles in Zusammenhang zu bringen, so muss der Geist
unwillkürlich diesen Eindruck mit solchen Begebenheiten
in Verbindung bringen, die er zu erleben glaubt. Im
genannten Falle glaubte der Geist vielleicht, in dem
Augenblick, da er den Eindruck empfing, auf der Strasse
zu sein. Es lag ihm also am nächsten, den Eindruck der
Wassertropfen auf Regen zurückzuführen. Hätte er geglaubt,
im Hause zu sein, so hätte er vielleicht gemeint, Jemanden
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