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Kiesewetter: Der vielförmige Hintzelmann.
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Lieder zu singen, und Gebether herzusagen. Es fähret nun
obbemeldter Autor fort, und erzehlet, dass er zu der Zeit
ein Knabe gewesen von 14 biss 15 Jahren, und sich um
diese Sachen nicht sonderlich bekümmert habe, dahero ihm
auch alle des Hintzelmann^ Verrichtungen nicht sonderlich
mehr erinnerlich wären, die sonsten, wenn man das merck-
würdigste zusammen auff zeichnen wollen, ein ziemlicher
Foliant angefüllet werden könte. Das aber könte er sich noch
wohl entsinnen, wann er dann und wann auffs Schloss mit
andern Kindern gangen, er den Hintzelmann in Gestalt eines
kleinen Knaben die Treppe gar geschwinde hinaufsteigen
sehen, und hätte man zwar die Gestalt und Kleidung, und
deren Farben eigentlich unterscheiden können, doch aber
hätte es geschienen, als wenn man mehr einen durchsichtigen
Schatten, als reebr veritabeln Cörper ansichtig würde."*)
Als nun die Zeit heranrückte, da Hintzelmann von
Hudemühlen Abschied nehmen wollte, begab er sich zu dem
Hausherrn und sprach zu ihm: — „Siehe, da will ich Dir
etwas verehren, das nimm wohl in Acht, und gedenk meiner
dabey." — Damit überreichte er ihm ein von Darmsaiten
geflochtenes, hohles, fingerlanges Kreuz, welches beim
Schütteln klapperte, als ob kleine Steinchen darin wären.
„Das andere Geschenk war ein Strohhut, ebenfalls von
dem Hintzelmann selbst verfertiget mit allerhand Figuren
und Bildern, so durch buntes Stroh praesentiret wurden,
sehr künstlich verfertiget, welcher, weil die Kunst, das Stroh
also zu bereiten und zu färben, zu der Zeit noch unbekandt
war, sehr verwundert, und vor etwas sonderliches gehalten
wurdo. — Das dritte bestand in einem ledernen Handschuh
, welcher mit Perlen besetzt, und davon wunderbahre
Figuren gemacht waren." Bei der Uebergabe dieser Präsente
sprach Hintzelmann die Prophezeiung aus, dass die
Familie blühen werde, so lange die Geschenke zusammen
bei ihr aufbewahrt werden. Würden sie aber verloren oder
zerstreut, so werde das Geschlecht „in decadence kommen."
(Also dieselbe Sache wie bei dem Dessauer Krötenring, dem
Bing der Frau von Alvensleben, den Bechern und Kugeln
der Asseburg, dem Oldenburger Horn u. s. w.)
Die Geschenke wurden zuerst von den beiden Schwestern
Anna und Katharina und nach deren Tode von dem Schloss-
herru von Hudemühlen aufbewahrt, welcher sie dem Pastor
Feldmann zeigte. Dieser beschreibt den Lederhandschuh als
ziemlich kurz (der Abbildung nach ist er wie die modernen
Handschuhe ohne Stülp) und mit Perlen, gleich einer runden
*) 8. 291 -294.
!»v chisohe Studien. März 1890.
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