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126 Psychische Studien. XVIT. Jahr*. 3. Heft. (März 1890.)
Jetzt, wo wir die Phänomene des Animismus und des
Spiritismus kennen, stellt sicli uns die Frage der sogenannten
Geister- Erscheinungen unter einem ganz anderen Anblick
dar. Unsere gegenwärtigen Begriffe über die Kraft und
den Stoff werden sich einer radikalen Modifikation unterziehen
müssen. An einem Matorialisations-Phänomen haben wir
eine „demonstratio ad o cu 1 o s " (eineVoraugenführung)
eines — wenn wir so sagen dürfen - Scaöpfungsphänomens;
eine Darstellung .»experimenteller Metaphysik", wie es
Sclnpenhaner nennt; es ist uns durch Thatsachen bewiesen,
dass die Materie nur ein Ausdruck der Knft ist, ein Werden
d s Willens, oder, mit anderen Worten, dass die Materie
nur die Objectivirung (Vergegenständliehung), die Darstellung
des Willens ist. Wir könneu anitehmen, dass eine
Geist-Erscheinung nur ein psychisches Phänomen, eine
„wahrhaftige Hallueination" sein kann, welche verursacht
whd durch eine aus einem Centrum überirdischen Bewusst-
seins hervorgehende Suggestion oder Eingebung; und wir
können ebenfalls annehmen, dass diese Geist-Erscheinung eine
physische Wirkung hei vorbringen könne, indem sie alsdann
eine materielle Objectivirung des Willens ibt, welcher zum
nämlichen Th itigkeits - Centrum gehört. Diese beiden
Manifestationen sind möglich je nach den gegebenen
Bedingungen.
Es dürfte nicht unnütz sein, hier am Schlüsse meiner
Arbeit an das zu erinnern, was ich schon früher gesagt habe
beim Anfange des I. Kapitelb über trenscendentale Photographie
; class namentlich die menschlichen Gestalten, welche
„Geister" sinnlich darstellen sollen, sei es durch geistige
Vision, sei es auf dem Wege der transcendentalen Photographie
, sei es durch Materialisation gar nicht die
wirklichen Gestalten dieser Geister sind, welche ihnen in
der ihnen eigentümlichen Existenzweise angehören; dass
es nur zeitweilige Formen sind, erzeugt durch eine Anstrengung
der Erinnerung und des Willens zum speziellen
Zwecke der Wiedererkennung. Es ist das Wort „Geist",
welches die Verwirrung hervorbringt, sobald es sich um
den Spiritismus handelt. Wir sind gewöhnt, die Worte
,,Geist44, „Seele" mit unseren täglicheu Vorstellungen eines
menschlichen Wesens zu verbinden, und wir übertragen
dieselben Vorstellungen auf d;<s transcendentale Gebiet;
während wir in Wahrheit überhaupt gar nichts davon
wissen, was ein „Geist" ist: — weder von demjenigen, den
wir als den Kölker beseelend voraussetzen, noch von
demjenigen, den wir als den Körper überlebend annehmen
. Diese Confusion in unserem Begriffe von einem
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