http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0149
Wittig: Bas visionäre Wandbild des Einsiedlers Dippold. 141
Es stellt hiernach fest, class das nur visionär im
(4eiste schon 1876 erschaute Bild dieses Einsiedlers
mich und meine Tochter gemeinschaftlich so tief seelisch
ergriffan und bewegt hat, dass wir Beide ein gemeinsames
Erinnerungs-Phantom davon behielten, welches sich dann
später (1877 und 1878) mit der realen Wirklichkeit des nur
allein vorhandenen Stadtwappens durchaus nicht deckte.
Durch meine Gespräche, Erörterungen und Vermuthungcn
mag sich dieses Bild auch in meiner Tochter Seele psychologisch
eingeprägt haben. Nur bleiben dann immer noch
die beiden übereinander gekreuzten entwurzelten Waldbaume
zu Füssen unseres Erinnerungs-Bildes unaufgeklärt. Ü iss
wir Beide einen Einsiedler in brauner Mönchskutte sahen,
entsprang wohl der aus der Anschauung der Felsen-Einsiedelei
geschöpften Ueberzpugung, dass hier ein Mönch und
Priester des uralten Benedietiner-Ordens gewaltet haben
müsse. Meine vom September bis Dezember 1877 zum Theil
gedruckten Artikel: — „Zur Frage: — Wurde der
Einsiedler Dippold heilig gesprochen?" — enthalten
in ihrem Verlaufe den letzten entscheidenden Beweis, dass
ich erst kurz vor Ende des Jahres 1877 in den Besitz der
über dieses Bild und Wappen vorhandenen Manuscripte und
Urkunden gelangt bin.
Damit meine geehrten Leser selbst zu vergleichen und
ihre Schlüsse zu ziehen in den Stand gesetzt werden, theile
ich noch kurz des vielgenannten Diaconus Daniel Luciuf
poetische wie prosaische Bemerkungen aus dem Jahre I6W
über dieses Stadtwappen mit, welches mit meinem und
meiner Tochter visionären Erinnerungsbilde im Einzelnen
so wenig genau, und dennoch in allem historisch Wesentlichen
so trefllich übereinstimmt: —
,.Die Lieb', o Vaterland, zu schreiben mich bezwinget
Und meinen schwachen Geist zu Schweien Sachen dringet,
Dass ich beschreiben soll die grosse Kriegeslast,
Die Anfangs bis hierher du ausgestanden hast.
5. Nun sollt im Anfang ich mit meinem Sinne lenken
Zu deinem Ursprung mich, der ersten Jahr gedenken,
Wer hab' "ibauet dich, den Namen dir erkiest,
Dass du das Dippoldswald genennet worden bist.
Weil aber meistenteils die graue Zeit benommen
10. Uns alle Schriften hat, in welchen dein Herkommen
Verzeichnet ist gewesen, so muss ich nur allein
Jetzt deiner ersten Jahr fast ein Errather seyn.
Ich weiss nicht, ob ich mich dir einen üeld soll wagen
Zu geben zum Erbau'r, und ob ich das soll sagen,
15. Dass du den Anfang hast von einem Crdens-Mann,
Der dich zu bauen hat zuerst gefangen an.
Das aber ist gewiss, der Nam' ist dir gegeben
Von einem solchen Mann, der stets im Wahl sein Leben
Hat streng und hart geführt, wie dies dein Wappen weist,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0149