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146 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 3. Heft. (März 1890.)
hatte es mit der eisigen Hund über das Gesicht gestrichen,
dass er darüber wtcheulanges Kopfreissen bekam. Einige
herzhafte Burschen, die das Gespenst im Lazarethgange
spät Abends mit Spottreden riefen, wurden von unsichtbarer
Hand mit Steinen bombardirt, dass sie Roisaus nehmen
mussten. Endlich schlug sich sogar der Rath ins Mittel.
Es wurden Posten aufgestellt, aber auch dies half nicht.
Der alte Sandel bombareürte weiter. Tn dieser üsoth soll
zuletzt der Rosenthaltörster Hilfe gebracht haben, indem
er sich an einen Scharfrichter wendete. Dieser — ich
glaube, es war der von Borna, — kam und bannte den
alten Sandel in einen hinter dem Lazareth stehenden grossen
Baum. Fischer, die überhaupt bei dieser Gespenstergeschichte
eine auffällige Rolle spielten, erzählten, sie hätten gesehen,
wie der Scharfrichter mit dem Gespenste aus einem Busche
gekommen und dieses an besagtem Baume verschwunden
sei. Von jetzt an hielt der alte Sandel ein ganzes Jahrhundert
Ruhe. Merkwürdig, und wer weiss, wie alte
Geschichten dieser Art im Volke fortglimmen, war es aber,
dass nach Fällung dieses Baumes und Errichtung eines
neuen Lazarethgebäudes daselbst — 1845 — sich plötzlich
der alte Sandel wieder zeigte. Er trieb sein Wesen in dem
Oorridor und dem unteren linken Krankensaale für Frauen,
indem er Nachts rumorte oder im Saale heramwandelte und
vor den Betten, in welchen dem Tode nahe Patienten
ruhten, stehen blieb und dieselben mit glasigen Augen
anstarrte. Schliesslich sah sich sogar die Lazarethverwaltung
veranlasst, Untersuchungen wegen des Spuks zu veranstalten,
die begreiflicherweise keinen Erfolg hatten. Wärterinnen
und Patientinnen blieben jedoch Gläubige bis zur Ueber-
siedelung ins neue Krankenhaus in der Südvorstadt. Jetzt
befindet sich in dem vormaligen unheimlichen Lazareth-
gebäude die vereinigte Freischule, und es ist kaum zu
glauben, dass auch dort der alte Sandel wieder seine Spässc
treibt. („Leipziger Tageblatt" 4. Beil. Nr. 31 v. .51. Januar
1890, S. 674.)
e) Tod durch Psychologi^irung. — „Einen niederträchtigen
Schurkenstreich" berichtet der „General-Anzeiger
für Leipzig und Umgebung" Nr. 31 v. 31. Januar er.: —
,,Kürzlich stand die Todesanzeige eines jungen Mädchens,
der Tochter eines hiesigen Einwohners, im „Leipziger
Tageblatt". Verwandte und Freunde der Familie sandten
Blumenspenden, die der Vater, als er den Anlass dazu
erfuhr, mit höchstem Befremden zurückwies, da seine Tochter
gar nicht gestorben war. Sofort beförderte derselbe, nachdem
er von dem Sachverhalt unterrichtet, ein Inserat an das
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