http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0170
162 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 4. Heft. (April 1890.)
den Verfasser als einen würdigen Gesinnungsgenossen in
beiden Lagern erweist, jedoch in einem, bezw. einigen
Punkten mit den Ansichten des Unterzeichneten, der ebenfalls
beiden Denkrichtungen angehört, nicht übereinstimmt, so dass
derselbe es für angebracht hält, das Verhältniss der beiden
Lehren anlässlich dessen einmal weiter zu beleuchten, so
weit dies im Rahmen dieser Erörterungen eben geschehen
kann. Auf den Wortlaut, bezw. Inhalt, der vorerwähnten
Besprechung kommen wir weiter unten zurück.
Vorerst erlaubt sich Schreiber dieses, ganz ohne persönlichen
Bezug auf den Herrn Herausgeber der „Sphinx",
und nur im Aligemeinen für die Leser der „Psych. Stud."
zu bemerken, dass, wenn er den in unseren Reihen herrschenden
Geist der Freiheit, wie wir solche auch von Anderen
für uns fordern, recht verstanden hat, dass wir
dann wohl Alle, zum Glück für unsere Sache, wie für
die Menschheit, der dieselbe eine unerlässliche, vielseitige
und trostreiche Stütze sein soll auf ihrem mühsamen
Bildungspfade, nichts wissen wollen von jener unqualificir-
baren Gewohnheit des Todtschweigens und Uebergehens
fremder Meinungen und gewisser Thatsachen, worüber wir,
ebenso wie die Vegetarier, uns so oft bei den Gegnern zu
beklager haben. Wir wollen jedenfalls nichfcs wissen von
jener so weit reichenden Herrschaft gewisser Cliquen über
die Gesammtheit, die dem deutschen Volke fortwährend
so viele tiefe Wunden schlägt; sondern wir wollen selbst
denken, nichts ohne eigene Prüfung uns vordenken oder
gar uns etwas vorenthalten lassen. Wir wollen nicht, wie
der Vogel Strauss, den Kopf in den Sand stecken, wenn
Fragen zur Erörterung sich aufdrängen, die da vermeintlich
unsere Kreise stören, und sind aus trauriger Erfahrung
heutiger Zeit zum Ueberfluss darüber belehrt, dass nur
durch ungehinderten Kampf der Meinungen die Wahrheit
zu Tage kommen kann. Das ist es jedenfalls, was wir
wollen, und das ist es auch, was wir sollen, falls wir
wollen, dass wir etwas ausrichten. Denn keiner Bewegung,
am wenigsten einer verhältnissmässig weniger verbreiteten,
erlauben es ihre Mittel, in die sittlichen Fehler ihrer Gegner
zu verfallen.
Mag darum der vielgeschmähte Vegetarismus beut
zu Tage nicht Jedermanns Sache sein, so wird doch kein
gerecht Denkender es abweisen, dass über diese Lebensrichtung
, der nicht nur drei Viertel der Menschheit bewusst
oder unbewusst huldigen, sondern gerade die Mehrzahl der
bedeutenden Förderer des übersinnlichen Wissens alter und
neuer Zeit angehören, auch eine andere Anschauung als die
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1890/0170