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Liebich: Spiritualismus und Vegetarismus. 165
nicht fühlt, Ihr werdetfs nicht erjagen!" — Viele der
geistig - sittlich Hochstehenden, oder hoch zu stehen
Glaubenden haben es nicht erfasst und werden es in diesem
ihrem Leben nicht. In dieser Hinsicht weiss sich der
Unterzeichnete ganz einig mit Herrn Dr. Hübbe-Schleiden.
Wie sympathisch muthet seine, des Letzteren, neuliche, im
August-Heft1889 der,,Sphinx" enthaltene Bemerkung über die
bekannten Greuel beim Schlachten des Kleinviehes, als nur
möglich in einer vollkommen barbarischen Scheincultur an,
wie anders, als was die tonangebenden Literaten der
„Gesellschaft" in ihren grossen und kleinen Zeitungen dem
staunenden und gläubigen Publicum als öffentliche Meinung
vorschreiben, s i e, die in ihrem beschränkten Fachwissen und
Zunftgeist keine Ahnung von wirklicher Geistesfreiheit haben,
geschweige denn von jenen grossen Bewegungen etwas wissen,
die sich in der Menschheit, im Volke ohne die Hilfe, ja
zumeist im Widerstreit gegen die gelehrten Classen verbreiten.
Was wissen sie, jene oberflächlichen Literaten, die alles
todtschweigen, bekämpfen und begeifern, was sie nicht
verstehen, wie Vegetarismus, Spiritualismus, Naturheilpflege
u. s. w., — was wissen und erkennen sie von einem
Zusammenhange der Barmherzigkeit und Liebe des Menschen
zu anderen Geschöpfen mit dessen eigener Moral und
Gesundheit wie dessen Glückseligkeit! Ein solcher Zusammenhang
ist in der Weltanschauung dieser Zunftpharisäer
und Gedächtnisswisser überhaupt nicht registrirt; auch
entspricht er nicht dem Geiste der „Gesellschaft", die bei
ihnen arbeiten lässt, wenn sie sich zerstreuen will, so wie
sie bei den Medicinern arbeiten lässt, wenn ihre Gesundheitsstiefel
ausgeflickt werden müssen.
Wer wird auch ein solcher Schwärmer sein, dieser
Gesellschaft etwas von dem Lebensrecht der Thiere zu
erzählen: — hiesse das nicht, auf offenem Markte Moral
predigen und sich einfach lächerlich machen? Wozu auch
sich ausschliessen? Das verstösst wider den guten Ton!
Beide Richtungen aber können sich verschiedentlich
nicht an diesen guten Ton kehren. Beide Eichtungen
verlangen einen innerlichen Menschen, Diese Species von
Zweihändern ist allerdings in heutiger „Culturmenschheit"
in herzlich wenig Exemplaren vertreten. Aber darauf kommt
es ja schliesslich im letzten Grunde gar nicht an, wenn man
nach Beweisen für ihre Berechtigung fragt; denn es wäre
ein verhängnissvoller Irrthum, zu glauben, dass alles richtig
sein müsse, was die Menge erkennt und weiss. Die Vegetarier
sind jedenfalls vertrauensselig genug, sich nicht durch
den Tagescours ihrer Lehre beirren zu lassen. Sie hoffen
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