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Liebich: Spiritualismus und Vegetarismus.
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von der Afterwissenschaft noch todtgeschwiegenen Nachweisen)
weit kälteren Klima der Erde zu Zeiten verhungert wäre,
wenn sie nicht das Aushilfsmittel der Arterhaltung durch
— Menschenfresserei gehabt hätte. Noch vor nicht
langer Zeit sind am Orinoco und Amazonas allein 13 oder
17 Völkerschaften ausgestorben, welche Menschenfresser
waren, und giebt es noch jetzt zahlreiche solche Rassen,
u. a. die der, angeblich sonst über anderen Schwarzen
stehenden Njam-Njam in Afrika.
Was aber die Möglichkeit vorwiegend vegetarischer
Ernährung für die europäischen Rassen betrifft, die Herr
Dr. B.-S. zu bestreiten scheint, so sei hier gestattet, denselben
darauf hinzuweisen, dass dieselbe einfach eine vollendete
Thatsache ist Trotzdem ganze Bevölkerungen, wie hier in
NorddeutschlanJ, das Fleisch förmlich zu verschlingen
scheinen, so hat man doch ausgerechnet, dass im Durchschnitt
zu der Gesammtbevölkerung so wenig von dem
kostbaren Thierleichenstoff verzehrt wird, dass man denselben
unmöglich als wesentlich zur Ernährung und Krafterhaltung,
höchstens zur Beschäftigung des gesammten Heils- oder
Unheilspersonals dienlich erachten muss. Für die Städter
mögen wohl sehr viel grössere Rationen davon in Ansatz
kommen. Aber vielleicht werden sonst noch die norwegischen
und andere Bauern, was Leistungen betrifft, sich nicht vor
diesen städtischen Kraftmenschen zu schämen brauchen.
Des Pudels Kern ist eben einfach der, dass in der
„europäischen" Kulturmenschheit, die uns am wenigsten
imponirt, weder was Kraft, noch was Sittlichkeit, weder
was Verstand, noch geistige Beweglichkeit betrifft, keiner
seinen geliebten Braten missen mag, sondern darin gar zu
oft wieder, bei selbstverschuldetem oder sehr natürlichem
Misserfolg mit vegetarischer Anfangskost, zur alten Liebe
zurückkehrt, und zwar vom geistig-sittlich „hochstehenden"
Professor bis zur rohen prätentiösen Dienstmagd herunter,
deren Eltern vielleicht bei medicinisch - „ unwissenschaftlichster
", einfachster Kost die anstrengendsten Kraftleistungen
vollführten. Diesen Mitgliedern der europäischen
Rassen kommt dann allerdings der Umstand sehr zurecht,
dass die Jünger Aesculaps, in ihrer Lehre und Praxis mehrere
Jahrzehnte hinter dem klar vorliegenden Wissen der
Menschheit, besonders auf dem Gebiete, der Chemie und
Nahrungsmittellehre, zurück, das Dogma von der Unent-
behrlichkeit des Fleisches, bez. die Eiweisstheorien, in die
Köpfe gebracht haben und anscheinend eifrig an dessen,
des Dogmas, Erhaltung arbeiten, und zwar auch in Kreisen,
wo das (an sich vollständig begründete) Schlagwort vom
Psychische Studien. April 18U0. 12
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