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170 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 4. Heft. (April 1890.)
menschenwürdigen Dasein leider zumeist in der Richtung
nach verschrobenster Ausdehnung der niederen Bedürfnisse
auf Kosten der höheren, weit über alles vernünftige Maass
hinaus, verstanden wird. —
Es bewahrheitet sich hier vielfach, dass die Intelligenz
im umgekehrten Verhältniss zur Fleischnahrung
steht, ein Satz, bei dessen Aussprache hier wie dort
Niemand über Uebertreibung seitens der Vegetarier zu
klagen braucht, da keinem derselben einfallen wird, zu
bestreiten, dass für jede Art von Tüchtigkeit zahlreiche
Ursachen mitwirken, womit aber der Satz selbst noch
keineswegs erschüttert wird. Der geistigen Gesundheit dient
nur, was die leibliche fördert. Aber die „Menschheit", sagt
John Smith,*) „hat immer versucht, bis an die äusserste
Grenze dessen zu gehen, was der Körper nur irgend vertragen
kann." Auf diese Weise hat sich durch Vererbung
und Gewohnheit eine Art Toleranz gegen die verschiedensten
Rei2- oder Giftstoffe herausgebildet und bekannt ist, dass
Opiumraucher ebenso wie Säufer den grössten Abfall ihrer
Kräfte beobachten, sobald das geliebte Gift ihnen entzogen
wird. Aber nicht ist edel, zu thun, was Körper und Geist
gerade noch veitragen können, sondern, was beiden zuträglich
ist, und darin sich und die folgende Generation mehr und
mehr zu befestigen. Dadurch allein wird die vollkommene
Gesundheit des ganzen Menschenwesens ermöglicht.
Auf die Bemerkungen im letzten Absatz: —
„Wäre es überhaupt möglich, dass die europäischen
Rassen etwa so wie die asiatischem vorwiegend vegetarisch
leben würden, (worüber, wie gesagt, es zweierlei Meinungen
zu geben scheint,) so würde allerdings unser
materialistisches Kulturleben, welches ganz
ausschliesslich auf die Befriedigung von Begierden
und Bedürfnissen gerichtet ist, aufhören
; vielleicht würden auch die Menschen
weniger streitsüchtig werden: doch was wäre
wohl dadurch gewonnen?" — wollen wir nur
erwidern, dass dadurch wohl mehr gewonnen wäre, als wir
Vegetarier bescheidener Weise auf absehbare Zeit hin leider
verlangen können. Wenn solches Menscheninaterial noch
keine unvergleichlich bessere Rekrutenschalt für die AVeisheit
sein soll, welches dann? Allerdings wird über den Begriff
„Weisheit" verschieden geurtheilt, je nach den Yoraus-
•) „Frufts and Farinaeea, the proper food of man, Condensed by
Prof. Neirman, Veget Society, Manchester." (Deutsch zu beziehen bei
Th. Grieben, Leipzig, odei IL Härtung u. So/m, Kudolstadt.)
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