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Wittig: Eine Erzherzogin als Medium
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Prinzessin an sämmtliclien Höfen Europas nach cler Ehre
gegeizt hätte, die Gattin eines Mannes zu werden, der nicht
allein deroinstiger Erbe des glanzvollsten Thrones war.
sondern auch allgemein für schön, geistvoll und liebenswürdig
galt', hatte Isahelle von Parma nicht üble Lust, die Bewerbungen
desselben auszuschlagen. 'Ich bin', sagte sie zu
dem Abgesandten des Habsburgischen Hofes, 'ausserordentlich
geschmeichelt durch den so ausgezeichneten Vorzug
über andere europäische Prinzessinnen, welchen die kaiserlichen
Majestäten mir bezeigt haben, indem sie mich zur
Gemahlin ihres ältesten Sohnes begehren, eine Verbindung,
die weit über meine Verdienste und weit über meine Erwartungen
ist. Ich habe nur zu bedauern, dass die Mühe,
die sie sich gegeben haben, völlig nutzlos sein wird, da ich
fest überzeugt bin, d«ss ich nicht lange genug leben werde,
um den Aussichten zu entsprechen, die man bei meiner
Heirath hat.'
„Diese Antwort erregte in Wien eben so viel Erstaunen
wie Missfallen. Man hatte sich nicht darauf gefasst gemacht,
aber man war auch nicht gewillt, sich mit dieser hinter
Ausflüchte verschanzten Ablehnung zufriedeu zu geben.
Dazu kam, dass der Erzherzog Josef allein auf die
Schilderung, welche man ihm von dem Aussehen und den
Tugenden der Prinzessin entworfen, eine ernstliche Neigung
für sie gefasst hatte. Isabelle willigte gegenüber so vielen
und dringenden Wünschen, welche au sie herantraten,
schliesslich ein, dem jungen Habsburger ihre Hand zu
reichen. In Wien angekommen, ward sie auf allen Seiten
mit der grössten Aufmerksamkeit empfangen. Der Kaiser
und seine Gemahlin überschütteten sie mit Kundgebungen
der Aufmerksamkeit, der Erzherzog empfand für sie eine
Liebe, welche an Schwärmerei grenzte. Das Benehmen iiel
um so mehr auf, als man bisher niemals wahrgenommen
hatte, dass er ein mehr als oberflächliches Interesse für
die Frauen an den Tag legte. Es war somit kein Zweifel, die
echte, wahre, einzige Liebe zeitigte eben in dem Herzen des
jungen Kaisersohnes die ersten prächtigen Blüthen. Um so
greller stach das Verhalten seiner Gemahlin davon ab. Von
den Beweisen seiner Zärtlichkeit gerührt, liess sie sich
dieselben wohl gefallen; aber es konnte keinem Menschen
eutgehen, dass nicht im Mindesten ähnliche Gefühle in ihrer
Brust wohnten. Theilnahmlos, nachdenkend, meistens sogar
traurig, lebte sie ihre Tage hin. So lange sie öffentlich
oder in Gesellschaft mit dem Gatten beisammen war, gab
sie sieh wohl Mühe, einen gewissen Grad von EYohsinn zur
Schau zu tragen. Allein jedoch, sank sie stets wieder sofort
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