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190 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 4. Heft. (April 1890.)
in ihre gewohnte Stimmung zurück. Der Kummer des
Erzherzogs darüber war grenzenlos; alle Bemühungen, seine
Gemahlin fester an sich zu ketten, scheiterten an der Beharrlichkeit
ihres Charakters. Aber auch die Versuche,
das Ehebündniss zu lockern oder gar zu zerreissen, waren
erfolglos. Man konnte der Erzherzogin, so geflissentlich
das von mancher Seite geschah, in keiner Hinsicht nachweisen
, dass sie die Neigung, welche sie ihrem Gatten
augenscheinlich vorenthielt, einem anderen Manne zu Theil
werden Hess. Josef seinerseits wies alle Anfeindungen,
welche man wider seine junge Gemahlin vorbrachte, mit
Entschiedenheit zurück. Man erreichte nur, dass er ihr mit
noch deutlicherer Schwärmerei zugethan wurde,, allerdings
auch, dass das Wehe, welches ihre ablehnende Haltung ihm
verursachte, immer tiefere Schatten in sein Dasein warf.
„Einige Zeit schien es, als ob sich die Beziehungen
zwischen dem jugendlichen Paar so erfreulich gestalten
würden, wie es der Wunsch des Erzherzogs sein musste.
lsdbelle kam mit eifern Mädchen nieder, welches deu Namen
der kaiserlichen Grossmutt<T erhielt. Das Glück des Erzherzogs
hatte keine Grenzen, zumal auch seine Gattin mehr
Theilnahme und auch Freundlichkeit zeigte, seitdem sie
Mutter geworden. Ab r sie fiel nur zu schnell wieder in
ihre frühere Stimmung zurück. Selbst die Aussicht, dass
sie in Folge der Krönung Josef's zum römischen Kaiser,
welche damals vorbereitet wurde, eine höhere Würde erhalten
solle, konnte ihr düsteres Wesen nicht verscheuchen. 'Ich
werde nie römische Königin werdensagte sie dann,
gleichgiltig mit den Achseln zuckend. Zugleich offenbarte
sie eine Neigung für Todesahnungen, welche auf ihre ge-
sammte Umgebung äusserst peinlich wirken musste. Ihr
liebstes und schliesslich einziges Gespräch bezog sich auf
ihr bevorstehendes Scheiden von der Erde. Als eine Dame
ihrer Umgebung einmal sagte: — 'Ist es denn möglich,
dass Ihro Hoheit vergessen, dass Sie eine zärtlich geliebte
Tochter haben? Können Sie dieselbe mit kaltem Blute und
gleichgiltig hinter sich lassen ?' — 'Sie glauben also',
erwiderte darauf die Erzherzogin, 'dass ich Ihnen meine
Kleine lassen werde? Oh gewiss nicht! Sie werden dieselbe
höchstens sechs oder sieben Jahre behalten !' Diese
Aeusserung wurde damals allerdings belächelt, erwies sich
jedoch in der Folge als in der Tliat prophetisch, denn die
kleine Maria Theresia starb wirklich, als sie sieben Jahre
zählte. Inzwischen nahmen die Todesahnungen der jugendlichen
Mutter in einer Weise zu, welche krankhaft erscheinen
musste. Mit ihrer liebsten Freundin, der Erzherzogin
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