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du Prel: Was sind Ahnungen?
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wahrzunehmen, nicht etwa manchmal gut funetionirt — beim
Fernsehen — und manchmal schlecht — beim Ahnen. Der
Gradunterschied zwischen Fernsehen und Ahnen betrifft
überhaupt nicht die Function, sondern wird erst nachträglich
an der Wirkung erzeugt, d. h. beim Uebergang ins
Bewusstsein. Das Fernsehen, indem es aus dem Unbewussten
ins JBewusstsein übergeht, erfährt jene Abschwächung,
wodurch es zur blossen Ahnung wird. Dies ist der Grund,
warum Ahnungen in der blossen Gefühlssphäre stecken
bleiben, als unbestimmtes Angstgefühl ohne correspondirende
Vorstellung. Aber nur im sinnlichen Bewusstsein kann
diese Vorstellung fehlen, im Unbewussten muss sie gegeben
sein aus dem einfachen Grunde, weil jede Wirkung ihre
zureichende Ursache haben muss.
Bei dieser Auffassung sind vorläufig zwei Probleme
— Fernsehen und Ahnen — auf eines reducirt, was
immerhin schon ein wissenschaftlicher Gewinn sein dürfte.
Man kann mir dabei auch nicht vorwerfen, dass ich Dunkles
durch noch Dunkleres erkläre, nämlich die Ahnung durch
das Fernsehen; ich wollte ja bisher überhaupt nichts
erklären, sondern nur definiren. Ich habe einfach den
Vorgang des Ahnens untersucht, und dabei hat sich gezeigt,
dass wir ihm ein Fernsehen zu Grunde legen müssen, dass
gar keine Verpflichtung besteht, Ahnungen für sich
besonders zu erklären, dass vielmehr die Erklärung des
Fernsehens die des Ahnens umschliesst.
Wie die Strandwelle, wenn sie rückläufig wird,
Muscheln am Sande liegen lässt, so lässt das Fernsehen
manchmal Angstgefühle im Bewusstsein zurück, die begleitende
Vorstellung aber fliesst ins Unbewusste zurück.
Das heisst aber keineswegs, dass die Vorstellung als solche
unbewusst wird. Sie wird es nur für das sinnliche Bewusstsein
. Würde sie ganz aufhören, Vorstellung zu sein,
so müsste auch ihre Wirkung, das Angstgefühl damit
verschwinden. Das geschieht aber nicht, also muss unser
Unbewusstes die Vorstellungsfähigkeit besitzen, es muss sein
eigenes Bewusstsein haben, und dieses vom sinnlichen
verschiedene Bewusstsein nennt man das transeendentaie
Bewusstsein. Es giebt also keine an sich unbewussten
Vorstellungen, sondern nur in Ansehung des Gehirns
unbewusste Vorstellungen.
Nun ist es aber die Regel, dass Ferngesichte, d. h.
transcendentale Vorstellungen, nur dann unser Gehirn
affieiren können, wenn dieses von den stärkeren Einflüssen
der Aussenwelt nicht in Anspruch genommen ist, Dies ist
z, B. in jenem tiefen Schlaf der Fall, den wir S o m n a m -
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