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du Prel: Was sind Ahnungen?
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eines Abends um 11 Uhr im Bett und wachte ganz hell,
denn ich hatte mich eben erst niedergelegt. Auf einmal
wandelte mich eine Angst wegen Feuer an, die ich kaum
bändigen konnte, und mich dünkte, ich fühlte eine immer
mehr zunehmende Wärme an den Füssen, wie von einem
nahen Feuer. In dem Augenblicke fing die Sturmglocke
an zu schlagen, und es brannte, aber nicht in meiner Stube,
sondern in einem ziemlich entfernten Hause. Diese Bemerkung
habe ich, so viel ich mich jetzt erinnern kann,
nie erzählt, weil ich mir nicht die Mühe geben wollte, sie
durch Versicherungen gegen das Lächerliche, das sie zu
haben scheint, und mich gegen die philosophische Herabsetzung
Mancher der Gegenwärtigen zu schützen!" — Auch
in diesem Falle kann die transcendentale Funktion nicht in
den Zeitpunkt der Ahnung selbst verlegt werden, da sie
bei vollständigem Wachen hätte eintreten müssen.
Sehr häufig sind Ahnungen des eigenen Todes,
auch ohne dass immer Krankheit vorhanden wäre. Der
Marschall Baswmpiere erzählt in seinen Memoiren, König
Heinrieh IV. habe ihm am Tage seiner Ermordung die
Befürchtung ausgedrückt, an einem der nächsten Tage zu
sterben.*) Mit Bezug auf diese Thatsache sagt Schiller im
„ fVallenstein": —
Es machte mir stets eigene Gedanken,
Was man vom Tod des vierten Heinrieh liest:
Der König fühlte das Gespenst des Messers
Lang vorher in der Brust, eh' sich der Mörder
Ravaillac damit waffnete. Ihn floh
Die Kuh', es jagt ihn auf in seinem Louvre,
In's Freie trieb es ihn. Wie Leichenfeier
Klang ihm der Gattin Krönungsfest; er hörte
Im ahnungsvollen Ohr der Füsse Tritt,
Die durch die Gassen von Paris ihn suchten.
Der Marschali Bessieres erwachte an seinem Todestage
mit der hestimmten Ahnung, dass es sein letzter Tag sei,
und dass ihn eine Kanonenkugel tödten würde. Eine
Stunde später folgte er dem Kaiser Napoleon zu Pferd, das
Treffen begann, und Bessieres wurde von einer Kanonenkugel
getödtet **) Auch der napoleonische General Lasalle
konnte vor der Schlacht von Wagram, von Todesahnungen
beunruhigt, nicht einschlafen. Er schrieb an Napoleon und
empfahl ihm Frau und Kinder. Seinen Freunden gegenüber
sprach er mit Bestimmtheit davon, dass er den Tag nicht
*) Perty: — „Sichtbare und unsichtbare Welt". 149.
**) Kerner: — „Magikon". III. 262.
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