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244 Psychische Studien. XVII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1890.)
Kesael fiel. Und an dem Kessel hin lief ein Pfad, und
dahinter kam ein Moorstreifen, und verdorrtes Gras und
Huflattich.. . Und dann kam ein Kesselgebüsch... Und da
lag wer. .. Und Lehnert hielt an und fuhr mit der Hand
über Stirn und Auge, wie wenn er das Bild verscheuchen
wollte. Aber es wich nicht. Und zuletzt gab er dem
Pferde die Sporen und ritt, so rasch es der Weg zuliess,
immer höher bergan. — Nur einmal noch sah er nach der
Stelle zurück. 'Das ist der, der bei VHermlte in's Fenster
sah!'" — In einem ähnlichen Waldgebüsch unterhalb der
Schneekoppe hatte er einst den ihm feindlich gesinnten
Förster in vermummter Gestalt erschossen. — Die weitere
Entwickelung der Geschichte, die Liebe von Lehnert zur
einzigen Tochter Obadja's, die düstere Prophezeihung
VHermite's, dass einem Mörder kein Lebensglück mehr
beschieden sei, und die tragische Erfüllung des Geschickes
Lehnerfs, welcher bei einem Rettungsversuche des in den
Felsengebirgen verirrt geglaubten Sohnes Obadja's abstürzt
und an einsamer Stelle unter ähnlichen Verhältnissen wie
sein einstiges Opfer, der von ihm erschossene Förster,
stirbt, dies Alles ist von ebenso erschütternder wie überzeugender
Wirkung auf das menschliche Gemüth.
e) Die Spiritistin von Nizza. — In dem herrlichen
Nizza, wo die goldene Sonne auch die Wintertage verklärt,
ist vor Kurzem die ehemals vielgenannte französische
Schriftstellerin Olympe Andouard gestorben. Seit einigen
Jahren brustleidend, hatte sie sich dahin zurückgezogen und
hielt dort einen spiritistischen Salon, dessen hervorragendste
Gestalt unter den enthusiastisch überzeugten „Gläubigen4*
die russische Fürstin Woronzoff war. — Ihre Beschäftigung
mit dem Spiritismus war nichts Neues. In ihrem vor 5
oder 6 Jahren erschienenen letzten Werke („Voyage ä
travers mes Souvenirs" — „Wanderung durch meine
Erinnerungen") machte sie die Mittheilung, dass ihr Hauptwerk
über diesen Gegenstand erst erscheinen werde, nachdem
sie ihre fleischliche Hülle abgestreift. Von dieser
einst prächtigen, blendend schönen fleischlichen Hülle hätte
Madame Andouard übrigens nicht so T/on oben herab
sprechen sollen, denn ihr verdankte sie viele ihrer Erfolge
und Triumphe. — In Aix geboren, hatte Olympe sich sehr
jung mit einem Notar verheirathet, von dem sie sich nach
dreijähriger Ehe wieder trennte. Mit den zwei aus dieser
Ehe stammenden Knaben, deren frühzeitiger Tod sie dem
Spiritismus in die Arme trieb, ging sie nach Paris. Um
zu erwerben, griff sie zur Feder und machte als die
literarische Vorkämpferin der Frauenemancipation in
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